Selbstorganisation im Tierberuf
So ist die allgemeine Vorstellung von Selbstständigkeit. In meiner Coaching- und Beratertätigkeit treffe ich immer wieder auf gestresste und unzufriedene Selbstständige, die mir erzählten, dass sie den roten Faden in ihrem Beruf nur noch schwer finden könnten. Sie hätten nur wenig Zeit für sich selbst, würden das Gefühl nicht los, dass sie von der einen zur nächsten Aufgabe hetzen und am Abend wäre der Berg von Arbeit noch genauso hoch oder gar noch höher, wie er es am Morgen schon war.
Das Bild von Sisyphos drängt sich mir auf, wie er seinen Stein immer wieder den Berg hinauf rollt und dieser am Ende wieder zum Fuße des Berges fällt, worauf Sisyphos den Stein wieder den Berg hinaufrollen muss.
So zu arbeiten kann keinen Spaß machen. Das stresst und irgendwann ist die Freude an der Selbstständigkeit vergangen und im schlimmsten Falle suchen sich die Kunden mit Hund einen anderen Dienstleister, weil sie dies natürlich auch spüren können.
Zusammen mit meinen Kunden analysierte ich die nachfolgenden Gründe für diesen Zustand. Vielleicht trifft ja der eine oder andere Grund auch auf Sie zu? Dann nehmen Sie sich gerne mit, was für Sie hilfreich und gut ist.
1. DAS SCHLECHTE GEWISSEN NICHT GENÜGEND ZU SCHAFFEN
Es gibt unendlich viel zu tun. Ohne einen festen äußeren Rahmen, wie vorgegebene Arbeitszeiten oder ein erwartetes Arbeitsergebnis können nur wir selbst uns diesen Rahmen geben.
Wenn wir überlegen, was wir an einem Tag so schaffen können, überschätzen wir das häufig. Das wiederum führt zum täglichen Frust: Schon wieder nicht das geschafft, was wir uns vorgenommen haben.
Was können Sie tun, damit Ihre Planung besser wird und Sie abends mit gutem Gewissen in Ihren Feierabend starten können?
Tagesplanung
Planen Sie Ihren Tag. Schreiben Sie sich auf, was Sie an dem Tag gerne schaffen möchten. Eine ToDo Liste ist dafür wunderbar geeignet.
Beginnen Sie damit, dass Sie maximal 60% der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit verplanen. Warum ist das wichtig? Sie können nicht alles planen. Manche Dinge passieren einfach und Sie brauchen Zeit dafür. Ein Notfall, eine unerwartete Anfrage, die sofort eine Antwort benötigt oder auch einfach nur ein schlechter Tag, den Sie gerade haben. Und damit sollen Sie nicht in Stress geraten.
Wie errechnen Sie die Ihnen zur Verfügung stehende Zeit?
Hier ein Beispiel:
Nehmen wir an, dass Sie von 10 Uhr bis 20 Uhr arbeiten möchten. Sie planen sich jeden Tag 2 Stunden Pause ein, bleiben noch 8 Stunden.
Ihre festen Termine, z.B. Kundentermine, nehmen 3 Stunden in Anspruch. Somit können Sie an diesem Tag in 5 Stunden Ihre offenen Aufgaben abarbeiten. Sie verplanen nun 60 % dieser Zeit, d.h. 3 Stunden.
Überlegen Sie sich, was Sie in 3 Stunden erreichen können. Planen Sie sich dementsprechend Aufgaben ein.
Aufgabenplanung
Planen Sie Ihre Aufgaben in kleineren Einheiten von ca. 20 – 25 Minuten. Falls die Aufgabe länger dauert, so unterteilen Sie die Aufgabe dementsprechend.
Pausen sind wichtig. Planen Sie Pausen in Ihre Arbeitszeit ein. Eine kleine Pause nach jeder Einheit und nach 2-3 Einheiten eine größere Pause.
Ich zeige Ihnen das anhand eines Beispiels. Nehmen wir an, Sie wollen ein neues Produkt in Ihr Angebot aufnehmen. Notieren Sie sich die einzelnen Schritte.
- Preisanfrage
- Bestellung
- Aufnahme in Ihren Onlineshop
- Newsletterbeitrag schreiben
- Newsletter versenden
Diese einzelnen Schritte sind zum Teil voneinander abhängig. Solange Sie die Preise nicht kennen, können Sie die Entscheidung nicht treffen, ob Sie das Produkt überhaupt aufnehmen.
Sobald Sie bestellen, können Sie den Newsletterbeitrag schon vorbereiten. Den Newsletter können Sie erst dann versenden, wenn der Artikel in Ihrem Onlineshop bestellbar ist.
Gehen wir davon aus, dass jeder Schritt in einer Zeiteinheit abgearbeitet werden kann. Nehmen wir an, Sie planen sich für heute die Preisanfrage ein. Erhalten Sie dann die Preise und entscheiden Sie sich für die Aufnahme in den Onlineshop, dann planen Sie die weiteren Schritte so ein, dass die Abhängigkeiten berücksichtigt sind.
Ein gut strukturierter Tagesablauf ist nicht nur für Hunde wichtig, sondern auch für uns Menschen.
Reflektion
Am Ende des Arbeitstages nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um zu reflektieren:
- Wie kommen Sie mit den 60 % klar? Haben Sie mehr Unterbrechungen, so planen Sie einfach weniger Zeit für die Aufgabenbearbeitung ein. Haben Sie weniger Unterbrechungen, so planen Sie mehr Zeit ein.
- Wie sind Sie mit der Menge an Aufgaben klar gekommen? Hier erkennen Sie Ihre Fähigkeiten, den Zeitbedarf für die Aufgabenbearbeitung richtig einzuschätzen. Wenn Sie locker mit Ihren Aufgaben durchgekommen sind, dann schätzen Sie eher zu viel Zeit ein. Sind Sie nicht fertig geworden, obwohl Sie die Zeit voll verwenden konnten, dann schätzen Sie den Zeitbedarf für die Aufgaben zu gering ein.
Sie können sich dann jeweils einen Faktor überlegen, den Sie am nächsten Tag hernehmen, um Ihre Schätzung an die Realität anzunähern.
Nehmen wir an, Sie haben am Abend noch unerledigte Aufgaben auf Ihrer ToDo Liste stehen. Planen Sie am nächsten Tag z.B. 20% mehr Zeit für dieselbe Aufgabe ein. Planen Sie auch für alle anderen neuen Aufgaben 20 % mehr Zeit ein, wie bisher. Am nächsten Abend können Sie überprüfen, ob Ihre Planung besser wurde.
Ich bin überzeugt davon, dass Sie mit dieser Übung ein schlechtes Gewissen am Ende Ihres Arbeitstages gut in den Griff bekommen.
Jahreszeitplanung
In einigen Berufen rund um den Hund gibt es Zeiten, in denen besonders viele Kundentermine anfallen und Zeiten, in denen Kunden mit anderen Dingen beschäftigt sind oder das Wetter nicht passend ist, falls Sie Outdooraktivitäten anbieten. Nutzen Sie solche Zeiten, um größere Projekte zu planen. Sie wollen Ihre Webseite neu gestalten? Sie möchten ein paar Newsletter-Beiträge vorbereiten? Dann ist diese ruhigere Zeit ideal dafür.
2. DIE UNSICHERHEIT, OB DAS RICHTIGE GETAN WURDE
Manchmal haben wir so viele unterschiedliche Aufgaben, dass es uns schwer fällt auszusuchen, welche davon gerade die Wichtigste ist. Auch wenn wir Aufgaben erledigen, bleibt ein Gefühl der Unsicherheit. War das jetzt wirklich die richtige Aufgabe, die wir gewählt haben?
Planungshilfsmittel
Wichtig für eine gute Selbstorganisation ist, dass Sie alle Ihre Aufgaben aufschreiben. Überlegen Sie sich, welche Art von Notizen Sie gerne haben möchten. Schreiben Sie gerne auf Papier, dann empfehle ich Ihnen ein kleines Notizbuch, das Sie immer bei sich tragen und einen Kalender, in dem Sie an den entsprechenden Tagen feste Termine eintragen können. Oder sind Sie vielleicht ein Digitaler Nomade und möchten alles auf Ihrem Smartphone oder Tablet speichern? Egal, wofür Sie sich entscheiden ist es wichtig, dass Sie alles, was Sie zu tun haben und nicht sofort erledigen können, aufschreiben.
Wenn Sie Aufgaben an bestimmten Terminen erledigen wollen, so tragen Sie sich für diesen Tag eine Erinnerung ein. Dafür ist der gedruckte Kalender gut geeignet. Falls Sie mit Softwareunterstützung arbeiten, können Sie sich entscheiden, ob Sie die Aufgabe mit festem Termin in den Kalender eintragen oder ob Sie mit einer ToDo Liste mit Erinnerungszeiten arbeiten.
Methoden zur Priorisierung
Jetzt bleiben Ihnen die Aufgaben, ohne feste Zeiten.
Und hier können Sie, je nach der Menge an Aufgaben unterschiedliche Ansätze wählen.
- Die wichtigste Aufgabe auswählen
Die unkomplizierteste Methode ist nun, die wichtigste Aufgabe auszuwählen und diese als nächste zu erledigen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten nur noch eine einzige Aufgabe erledigen, die auf Ihrer Liste steht. Welche Aufgabe würden Sie auswählen? Dieses Gedankenkonstrukt erleichtert Ihnen die Auswahl der nächsten Aufgabe. - Die Aufgabe mit den negativsten Konsequenzen auswählen
Kommen Sie mit der Auswahl der wichtigsten Aufgabe nicht weiter, so kann es hilfreich sein, wenn Sie sich überlegen, bei welcher Aufgabe Sie die negativsten Konsequenzen erwartetn, wenn Sie diese nicht erledigen. Z.B. könnte Ihnen dann die zu erledigende Steuererklärung einfallen, die Sie morgen abgeben müssen. - Die Aufgaben streichen, die nicht notwendig sind
Manchmal werden Aufgaben im Laufe ihres Lebenszyklus unwichtig. Haben Sie den Mut, diesen Ballast abzuwerfen. Haben Sie jemandem versprochen, so eine Aufgabe zu erledigen? Dann sprechen Sie mit demjenigen. Vielleicht ist diese Aufgabe auch für den anderen unwichtig geworden. Oder Sie können das Thema anderweitig lösen, ohne großen Aufwand. Sie werden sich viel leichter fühlen.
Falls Sie schon die Tipps zum schlechten Gewissen ausprobiert haben, dann können Sie die Vorgehensweisen auch kombinieren. Suchen Sie z.B. nach der wichtigsten Aufgabe die zweitwichtigste heraus. Wiederholen Sie das so lange, bis Sie für den kommenden Tag genügend Aufgaben notiert haben.
Mit dieser Übung werden Sie mehr Sicherheit gewinnen, die richtigen Aufgaben auszuwählen.
3. DER ZWANG ALLES PERFEKT ERLEDIGEN ZU MÜSSEN
Sie haben immer wieder Aufgaben, bei denen Sie viel Zeit verlieren, weil Sie das Gefühl haben, dass Ihr Arbeitsergebnis (noch) nicht gut genug ist?
Hier hilft uns die Erkenntnis aus den Parkinsonschen Gesetzen: “Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.”
Schränken Sie Ihre Zeit ein für die Dinge, bei denen Ihr Perfektionismus zum Tragen kommt. Wenn Sie jemand sind, der bei Recherchen zu bestimmten Themen unendlich viel Zeit verliert, dann geben Sie sich die Zeit vor, die Sie maximal in die Recherche investieren wollen. Und dann hören Sie auf und arbeiten mit den bis dahin gefundenen Ergebnissen weiter.
Sie werden erleben, dass anderen Menschen das in Ihren Augen unperfekte Ergebnis für gut und ausreichend halten. Und Sie haben freie Zeit gewonnen, die Sie für andere Aufgaben optimal nutzen können.
4. DAS GEFÜHL VON FEHLENDER ZEIT FÜR DIE WICHTIGEN DINGE
Wenn meine Kunden mit mir analysieren, warum sie manche Ziele nicht erreichen, kommen wir immer wieder auf das Thema, welche Dinge wichtig sind. Was ist zu tun, um das jeweilige Ziel zu erreichen?
Zielklärung
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Selbstständigkeit? Haben Sie ein genaues Bild von Ihrem Ziel? Sind es vielleicht mehrere Ziele, die Sie verfolgen?
Wenn Sie den Kopf schütteln, dann lade ich Sie ein, an dieser Stelle eine Pause zu machen. Wir benötigen Ihre Ziele für diesen Punkt. Zum Thema ‚Ziele setzen‘ gibt es eine Fülle an Informationen. Nutzen Sie diese oder lassen Sie sich von einem geeigneten Coach unterstützen.
Haben Sie Ihr Ziel? Notieren Sie sich dieses Ziel und platzieren Sie es gut sichtbar an einem Platz, den Sie häufig im Blick haben. Der Schreibtisch, Ihr Badezimmerspiegel oder auch der Kühlschrank können ideal dafür sein.
Zwischenziele
Wie lange möchten Sie brauchen, um Ihr Ziel zu erreichen? Je nachdem, wie weit Ihr Ziel noch entfernt ist oder wie groß Ihr Ziel ist, ist es ratsam sich Zwischenziele zu setzen.
Nehmen wir an, Sie möchten eine Hundeschule mit eigenem Platz und einer Trainingshalle aufbauen? Aktuell haben Sie eine mobile Hundeschule. Sie möchten dieses Ziel in fünf Jahren erreicht haben.
Wie gehen Sie am besten vor?
Überlegen Sie sich die Voraussetzungen für Ihr Ziel. Sie brauchen einen entsprechenden Kundenstamm, möglicherweise Angestellte oder Kooperationspartner, einen eingezäunten Platz und eine Trainingshalle.
Das bedeutet ganz schön viel Arbeit, oder? Welches Zwischenziel könnten Sie sich setzen? Das hängt davon ab, was Ihnen besonders wichtig ist. Mir selbst wären die Kooperationspartner am wichtigsten und ein entsprechender Kundenstamm. Damit hätte ich meine beiden höchsten Prioritäten gesetzt.
Probieren Sie es selbst aus. Überlegen Sie sich Ihre Zwischenziele. An welchen möchten Sie zuerst arbeiten? Prüfen Sie Ihre Tätigkeiten ab jetzt darauf hin, ob sie Sie Ihrem Zwischenziel näher bringt.
Nehmen wir wieder unser Beispiel an: Wenn Sie jetzt Ihre Zeit mit der Besichtigung von Grundstücken verbringen, dann können Sie nicht Ihren Kundenstamm erweitern oder sich Kooperationspartner suchen.
Herausforderung
Warum habe ich das Thema der Ziele erst als letzten Punkt aufgenommen? Ziele sind die wichtigste Voraussetzung, um sich gut organisieren zu können. Ohne Ziele arbeiten Sie nur vor sich her. Sie wissen nicht, wann Sie genug gearbeitet haben. Beim Erreichen Ihrer Ziele können Sie sich fragen, ob Sie zufrieden sind oder ob Sie noch zu anderen Ufern aufbrechen möchten und Ihre Ziele neu setzen oder erweitern sollten.
Sich richtig Ziele zu setzen, ist die herausforderndste Übung in diesem Beitrag. Das fällt vielen Menschen schwer. Deswegen kommt die schwerste Übung zum Schluss. Wir arbeiten uns von den einfachen Übungen zu den komplizierteren Übungen. Ich möchte, dass Sie Spaß und Freude an der Entwicklung Ihrer eigenen Organisationsfähigkeiten haben.
Mit Ihren Zielen im Blick können Sie nun Ihre Zeitressourcen optimal einsetzen.
Grundsätzliches zum Training an den Fähigkeiten zur Selbstorganisation
Einige Menschen haben eine Begabung zur Selbstorganisation. Wenn Sie das nicht haben, dann trainieren Sie Ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet.
Wichtig ist hier, wie bei jedem Training:
- Trainieren Sie, wenn Sie entspannt sind
- Planen Sie Ihr Training jeden Tag in Ihren Alltag ein
- Verhaltensänderungen brauchen ihre Zeit. Seien Sie geduldig mit sich selbst
- Üben Sie nicht zu viel auf einmal. Lieber nur eine neue Idee umsetzen. Wenn es kompliziert ist und zu viel Energie kostet, dann macht es auch keinen Spaß.
- Der erste Schritt ist der wichtigste
Sie werden mit einer besseren Organisation viel leichter und mit mehr Freude Ihre Selbstständigkeit leben.
Wenden Sie nur Methoden an, die Ihnen auch Spaß machen. Je einfacher eine Methode ist, umso eher werden Sie diese auch durchhalten können. Wechseln Sie die Methoden durch. So lernen Sie immer wieder neue Methoden kennen und erweitern spielend Ihre Fähigkeiten zur Selbstorganisation.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Erfolg beim Trainieren Ihrer Selbstorganisationsfähigkeiten!