Trainingstechnik Zeigen und Benennen einfach erklärt
Problemverhalten, Training & VerhaltenKOMMUNIKATION MIT DEM HUND
VORWORT

Stellen Sie sich vor, Sie spazieren nach einem gemütlichen und ausgelassenen Abend mit Freunden zurück zu Ihrem Auto, welches Sie in der Einstellhalle am Bahnhof geparkt haben. In den Strassen sind nur noch wenige Personen anzutreffen. Sie betreten die Einstellhalle. Sie ist mehr schlecht als recht ausgeleuchtet, das Licht schummrig… Da! …Sie hören immer schneller werdende, schwere Schritte aus dem Dunkeln, die sich Ihnen nähern, “Tiptaptiptaptiptaptiptap”. Sie nehmen im Dunkeln nur schemenhaft eine Gestalt wahr. Oder spielt Ihnen jetzt Ihre Phantasie einen Streich…?
Wie fühlen Sie sich bei dieser Vorstellung? Ist Ihnen etwas mulmig oder ist Ihnen gar ein kleiner Schauer über den Rücken gelaufen? Haben Sie dieses Gefühl willentlich gesteuert oder hat es sich einfach manifestiert?
Gehen wir nochmals zurück in die Einstellhalle… Nun sage ich Ihnen, derweil Sie die Schritte noch schneller auf Sie zukommen hören: “Bleib stehen, dreh Dich weg von diesen Schritten, wende Dich mir zu, schau mir in die Augen! – Halte Deinen Blick auf mein Gesicht gerichtet! Und nein, Du drehst dich jetzt nicht in die Richtung der Schritte…!” Wie fühlen Sie sich bei dieser Vorstellung…?
ZEIGEN & BENENNEN
Mit Hilfe der Trainingstechnik “Zeigen und Benennen” vermitteln wir dem Hund Informationen:
• über seine Umwelt,
• über gemeinsames Handeln von Mensch und Hund
• über Stimmung.
Je mehr Informationen wir dem Hund geben, desto mehr beziehen wir die eigene Person mit in diesen Handlungsrahmen ein: Der Hund soll seine Umwelt wahrnehmen dürfen, und wir unterstützen ihn dabei, mindestens akzeptables Verhalten zu zeigen.
Dieser Ansatz steht in grossem Gegensatz zu der oft praktizierten Übung “Sit and look”, der Hund soll die Umwelt also möglichst vollständig ignorieren. Dieses Ignorieren kommt vielfach bei Aggressions- oder Jagdthemen beim Hund zur Anwendung, während längerer Trainingszeit praktiziert, vielfach mit weniger als mit mehr Erfolg…
Ist das Leben tatsächlich darauf ausgerichtet, das Rundherum, die Umwelt zu ignorieren? Ist das biologisch sinnvoll? Sichert dies das eigene Leben? Ist es aus Sicht des Hundes sinnvoll, wenn “die Führung” Wichtiges verschläft? – Die Antwort lautet: Nein.
Menschen und Hunde sind verschieden; sie unterscheiden sich in ihren stammesgeschichtlichen Wurzeln und damit unweigerlich in ihren Bedürfnissen und Wahrnehmungen. Vorausschauend handelnd berücksichtigen wir Menschen dies und akzeptieren: Der Hund erlebt seine Umwelt anders als wir.
Zeigen und Benennen erlaubt es dem Menschen, seine Stimme vermehrt einzusetzen. “Wie?”, fragen Sie sich jetzt vielleicht, “Wir sollen mit dem Hund sprechen?”
Verstehen denn Hunde, was Menschen sagen? – Hunde verstehen mehr, als wir meinen! Vielleicht verstehen sie nicht das tatsächliche Wort – aber Hunde sind exzellente “Entschlüssler”, wenn es darum geht, Muster zu erkennen und Signale zu unterscheiden.
Sprechen mit dem Hund bedeutet nicht, ihn mit einem Wortschwall zuzudecken. Informationen werden dann am besten verstanden, wenn sie eindeutig und nicht in einer Unmenge von Bedeutungslosem untergehen.
“Zeigen und Benennen” bedeutet: motivations- und bedürfnisorientiertes Trainieren und Kommunizieren mit dem Hund. Wir nehmen Rücksicht auf die emotionale Lage des Hundes. Derweil stärkt sich fast nebenbei die Selbstkontrolle des Hundes, erwünschte Verhaltensweisen werden gestärkt, unerwünschte Verhaltensweisen geschwächt, der Hund erhält eine zuverlässige Möglichkeit, umzulernen: Statt z.B. nach vorne loszupreschen, nimmt er sich zurück. Statt loszupreschen, erhält er die Möglichkeit, alternatives Verhalten zu lernen. Statt loszupreschen, findet eine Kommunikation zwischen dem Hund und seiner Bezugsperson statt!
Wie sieht das in der Praxis denn konkret aus? Nehmen wir das Beispiel meiner Hündin Sindra, die gerne in ihrer Welt vollständig abtaucht und schnüffelt und sich währenddessen sehr erschrecken und in Folge aggressiv reagieren kann, wenn plötzlich ein fremder Hund vor ihr steht:
“Sindra…, WO ist der Hund?” – Das ist eine unserer liebsten Übungen! Sindra hält sofort Ausschau nach dem Hund, ich markiere sie für dieses Verhalten. Die Hündin stellt sich so unweigerlich auf eine mögliche Annäherung ein. Sie erschrickt sich nicht! Ich mache gute Stimmung bei meinem Hund, weil diese Übung x-fach wiederholt an positive Signale geknüpft wurde.
Sind Sie jetzt neugierig auf Mehr? Haben Sie Lust bekommen, mit Ihrem Hund dank “Zeigen und Benennen” zu kommunizieren?
Lassen Sie sich “Z+B”, wie es auch kurz genannt wird, von einem kompetenten Trainer/kompetenten Trainerin aus dem CumCane® Netzwerk (in Deutschland) oder aus dem Netzwerk der cumcane familiari® Trainer/innen (in der Schweiz) zeigen! Effizientes (Um-)Lernen, welches unter Garantie Spass macht – und Sicherheit vermittelt: dem Hund und seiner Bezugsperson!
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PRAXISBEISPIEL: AGGRESSIONSVERHALTEN BEIM HUND

Aus dem ersten Artikel zum Thema “Zeigen und Benennen” haben wir gelernt:
Mit Hilfe dieser Trainingstechnik vermitteln wir dem Hund Informationen über seine Umwelt, gemeinsames Handeln von Mensch und Hund
und Stimmung.
Warum ist „Zeigen und Benennen“ ein so wichtiges Instrument?
„Hinsehen lassen und das zu Sehende benennen“ führt nach vielen Wiederholungen dazu, dass der Hund zum Beispiel nach Wahrnehmung eines bedrohlichen Auslösers beginnt, häufiger, länger und nachhaltiger deeskalierendes Verhalten zu zeigen. Der Hund wird durch seine Bezugsperson bewusst auf dieses Ziel hin angeleitet und dem Vermögen entsprechend an Situationen herangeführt, um sich mit dem Auslösereiz bewusst auseinanderzusetzen. Der Mensch nimmt derweil die Führungsrolle ein. Die Bezugsperson bringt sich aktiv in das Geschehen ein: Der Hund erfährt durch seinen Bindungs- und Sozialpartner Informationen über seine Umwelt – dank gemeinsamem Handeln. Die Stimmung verbessert sich – beim Hund und damit auch beim Menschen!
Das positiv verknüpfte Markersignal unterstützt dabei die Trainingstechnik “Zeigen und Benennen” mit einer ganz wichtigen Rolle: Es klammert nämlich die Antezedenzien, das heisst, sämtliche Umweltbedingungen, -situationen, die Handlungen der Bezugsperson wie die Bezugsperson selbst in das an und für sich gemarkerte Hundeverhalten mit ein.
„Zeigen und Benennen“ verzögert – und das nicht nur bei Aggressionsverhalten! – die Reaktionen des Hundes nach vorne, verbessert die Selbstkontrolle, formt zum Beispiel das Stehenbleiben, erleichtert die Umorientierung und – das ist (gerade für TrainerkollegInnen) sehr wichtig zu wissen:
Die Technik wirkt als klassische Gegenkonditionierung auf der emotionalen Ebene. Das heisst, der Hund verbindet unweigerlich, willentlich nicht steuerbar den auslösenden Reiz sukzessive mit positiven Informationen, welche von seiner Bezugsperson kommen. Das ist der Grund, weshalb das Markern, hinein in aggressives Verhalten, die Aggression per se nicht verstärkt: Das Markersignal wirkt nicht nur auf der Verhaltensebene (das, was wir sehen oder hören), sondern im Besonderen auch auf der emotionalen Ebene (was sich im Inneren des Körpers abspielt, also was wir weder von blossem Auge noch mit unseren Ohren hören können).
Verhalten hat eine Funktion!
Verhalten fällt nicht einfach wie Manna vom Himmel. Verhalten hat immer eine Funktion, befriedigt Bedürfnisse und Absichten. Entscheidend bei der Arbeit über Z&B ist: Futter als Belohnung wird nur als emotionales i-Tüpfelchen eingesetzt. Als zielführende und nachhaltige Verstärker (= Belohnungen) von erwünschten, also zu Beginn des Trainings anderen wie inakzeptabel aggressiven Verhalten werden so oft wie möglich so genannte “funktionale Verstärker” wie zum Beispiel Bogenlaufen, Wegdrehen, Abschirmen oder die Möglichkeit zum Schnüffeln am Boden eingesetzt. Alternative Verhaltensweisen befriedigen also in erster Linie der Situation angepasste Bedürfnisse des Hundes (Distanzvergrösserung, Distanzannäherung zum Reiz). Der Mensch übernimmt derweil die Führung.
Verhalten klug positiv verstärken
Das alternative Verhalten NACH Zeigen und Benennen: Es muss belohnend wirken!
“Zeigen und Benennen” kann nur dann wirklich erfolgreich angewendet werden, wenn der Hund nach dem Markersignal entweder ein alternatives Verhalten bereits selbstständig zeigen oder ein solches auf Signal ausführen kann.
Ein alternatives Verhalten darf keinesfalls eine bestrafende Wirkung haben für den Hund. Deshalb ist eine sorgfältige Analyse des Hundeverhaltens, hier, an unserem Beispiel dem Aggressionsverhalten, besonders wichtig und unverzichtbar.
Was verfolgt der Hund mit seinem Verhalten? Was ist seine Absicht, seine Intention? Was ist – ganz nüchtern und sachlich betrachtet – die eigentliche Funktion dieses Verhaltens? Was ist die zugrunde liegende Motivation? Reagiert / Agiert er aus Angst, Wut, Frustration, offensiv, defensiv, territorial, verteidigend, vertreibend, beschützend…? – Je nach Antwort ist ein eingesetztes Alternativverhalten kontraproduktiv: Beabsichtigt der Hund z.B. zwischen sich und dem Auslöser Distanz zu schaffen, ist das „Distanz schaffen“ – also der funktionale Verstärker – nur dann wirklich eine Belohnung, wenn der Hund (und nicht etwa der Mensch!) durch sein Verhalten tatsächlich mehr Distanz zum Auslöser (fremder Hund, Mensch) erreichen möchte!
Bei leinenagressiven Hunden, die eigentlich zu anderen Hunden hin möchten und dies bedingt durch die Eingrenzung der Leine nicht können, ist dies nicht der Fall: Frustration ist hier die eigentliche Ursache der Aggression! Also würde eine Distanzvergrößerung bestrafend wirken – dafür eine Distanzverringerung, also die Annäherung an den anderen Hund belohnend!
Körpersprache, Ausdrucksverhalten beim Hund: Erkennen, wahrnehmen und richtig interpretieren. Die Situationen einerseits und der Hund andererseits müssen von der Bezugsperson bei der Arbeit an aggressivem Verhalten zwingend richtig eingeschätzt werden!
Bleibt der Hund stehen, schaut er zum Auslöser hin, entwickelt sich daraus das weitere Verhalten. In sicheren Situationen kann – nach richtigem Trainingsaufbau – abgewartet werden, ob der Hund selbstständig ein Verhalten aus einem Bereich der Eskalationsleiter (siehe Bild „die Eskalationsleiter“) zeigt, welches unterhalb des unerwünschten Verhaltens liegt. Diese Verhaltensweisen sollen markiert und mit funktionalen Verstärkern belohnt werden. – In der Regel zeigt der Hund viele, mindestens noch akzeptable Verhalten, bevor das eigentliche, von der Bezugsperson als unerwünscht bezeichnetes Hundeverhalten oder gar das sehr gefährliche Verhalten (ungehemmter Biss), auftritt! Diese Verhaltensweisen sollen gestärkt werden. Eine sorgfältige Anleitung der Bezugsperson ist demzufolge unverzichtbar.

Ist der Hund derart erregt, dass er aus eigener Initiative kein erwünschtes Verhalten zeigen kann, helfen wir ihm mit einem Signal für ein alternatives Verhalten, welches er bereits gut kennt. Das kann das Entspannungssignal sein, z.B. ein konditioniertes Entspannungswort, damit der Hund in der aufregenden Situation kooperationsbereiter wird. Ein auf das Entspannungssignal folgendes, gut bekanntes und gerne ausgeführtes Signal für ein anderes Verhalten, z.B. “Schau mal”, etc., kann sodann vom Hund leichter ausgeführt werden, weil sein Erregungsniveau etwas abgesunken ist.
Zusammenfassend soll mit der folgenden Abbildung verdeutlich werden, mit welchen Strategien ein Hund sich aus einer Konfliktsituation versuchen kann zu lösen. Dabei spielen auch Lernerfahrungen eine wesentliche Rolle!

Reagiert der Hund bereits mit dem unerwünschten aggressiven Verhalten, unterbrechen wir dieses mit einem – zwingend angekündigten – Abbruchssignal, z.B. mit dem angekündigten Geschirrgriff, und führen den Hund nach Möglichkeit erst dann aus der Situation, wenn er erwünschtes, jedoch mindestens akzeptables Verhalten zeigt.
Alternativverhalten können erst dann in aggressionsauslösenden Situationen eingesetzt werden, wenn sie in diesen schwierigen Situationen zuverlässig abrufbar sind und prinzipiell auch gerne ausgeführt werden. Das bedeutet also, die Alternativverhalten müssen außerhalb der Situationen aufgebaut und gut geübt werden. Mögliche weitere alternative Verhaltensweisen sind: sitzen, warten, Seitenwechsel, Blickkontakt zum Menschen aufnehmen, Kopf abwenden, Ball aufnehmen, Ball suchen, etc.
Auf der Jagd nach gutem Verhalten
Bei “Zeigen und Benennen” behalten wir laufend akzeptable bis erwünschte Verhaltensweisen im Auge, welche wir vor Auftauchen des unerwünschten Verhaltens mit dem Markersignal „einfangen“ und belohnen können. Es gibt keinen Grund, weshalb wir auf das unerwünschte Verhalten beim Hund warten sollten, um es zu korrigieren (sprich zu bestrafen).
Klüger ist es, die Stärken des Hundes zu fördern und so eine Führungsrolle, im Sinne eines zuverlässigen und Vertrauen schaffenden Bindungs- und Sozialpartners für den Hund, zu übernehmen. Seine Schwächen werden in der Zwischenzeit mit diesem Fokus auf noch mindestens akzeptable Verhaltensweisen sukzessive geschwächt.
Der folgende Film zeigt einen Ausschnitt der Verhaltensentwicklung, bzw. der Trainingsfortschritte eines Hundes in der Zeitspanne von 5 Monaten (April 2012 bis September 2012). Noch im September 2011 zeigte der Hund bei der Fallaufnahme schon auf ca. 200m Distanz an Fremdpersonen offensiv motiviertes Aggressionsverhalten (Droh- und Distanzsignale), allerdings auch noch viele akzeptable, das heisst, den/die Auslöser oder Situation meidende Verhaltensweisen, die seither nun funktional verstärkt und somit emotional neu positiv besetzt werden.
Besonderer Dank gilt also diesem Mensch-Hund-Team, Gaby mit ihrer Tervueren-Hündin Malisha, die sich für das Filmmaterial als videografische Ergänzung zu diesem Artikel zur Verfügung gestellt haben.
Gaby hatte ihre Gedanken zum Umgang und Training mit ihrer Hündin schriftlich in einem kleinen Bericht festgehalten. Wer diesen nachlesen möchte, findet den Text unter: http://www.seinmithund.ch/leseecke/die-seinmithund-teams-kommen-zu-wort/vom-hoffnungslosen-zum-kooperierenden-hund/
Der Bericht zeigt exemplarisch auf, welche Resultate und Befindlichkeiten bei Mensch und Hund ein Philosophiewechsel mit sich bringen kann. Er soll Personen mit ähnlichen Schwierigkeiten Mut machen und sie auf ihrem oder vielleicht auch neuen Trainingsweg unterstützen: Weg vom hoffnungslosen, hin zu einem kooperierenden Hund!
HINWEIS UND HAFTUNGSAUSSCHLUSS:
Für die unsachgemässe Anwendung der Trainingstechnik „Zeigen und Benennen“ und die unsachgemässe Arbeit mit Aggressionsverhalten beim Hund lehnt die Autorin jegliche Haftung ab!
Ziehen Sie bitte unbedingt einen kynologisch umfassend ausgebildeten und erfahrenen Trainer hinzu, wenn Sie mit Ihrem Hund mittels “Zeigen und Benennen” (und den weiteren effizienten Techniken aus der Werkzeugkiste des Trainings über positive Verstärkung) – gerade an aggressivem Verhalten – arbeiten möchten. Ein guter Trainer wird sich Ihren Hund genau anschauen und derweil medizinische Ursachen nicht vergessen. Dies bedeutet nicht, dass der Trainer Ihnen eventuelle Krankheiten benennt, aber mögliche Erkrankungen und/oder Störungen aufgrund des Erscheinungsbildes und Verhaltens des Hundes erkennen kann. Er wird Ihnen also einen Fachtierarzt in Verhaltensmedizin empfehlen, um den Hund zu Gunsten eines effizienten Trainings umfassend auf mögliche gesundheitliche, medizinische Ursachen der Aggression untersuchen, resp. solche ausschliessen zu lassen.