Schilddrüsen-Unterfunktion beim Hund: Ursachen, Symptome und Therapie
„Bei meinem Hund hat es sehr lange gedauert, bis eine Schilddrüsenunterfunktion endlich als Ursache für seine Symptome festgestellt wurde.“
„Eine vermeintliche Schilddrüsenunterfunktion wird viel zu häufig diagnostiziert, ohne dass der Hund tatsächlich daran erkrankt ist.“
Beide gegensätzliche Aussagen sind häufig zu hören. Und sie haben tatsächlich beide ihre Berechtigung. Der Grund liegt in den Besonderheiten des Schilddrüsenstoffwechsels und der Diagnostik. Dieser Blogbeitrag soll einen grundlegenden Einblick in die komplexe Erkrankung „Schilddrüsenunterfunktion beim Hund“ geben und so mehr Verständnis schaffen.
WAS IST EINE SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION?
Ist der Hund an einer Schilddrüsenunterfunktion erkrankt, ist seine Schilddrüse nicht mehr in der Lage, ausreichende Mengen an Schilddrüsenhormonen zu produzieren. Der Grund liegt häufig in einer entzündungsbedingten Zerstörung der Schilddrüse.
Dieser Prozess verläuft fortschreitend und kann in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden. Während zu Beginn der Entzündung noch ausreichend gesundes Schilddrüsengewebe vorhanden ist und für normale Hormonkonzentrationen im Blut sorgt (subklinische Thyreoiditis), schreitet die Zerstörung der Schilddrüse im Folgenden weiter voran (subklinische Schilddrüsenunterfunktion) bis die Schilddrüse im Endstadium nahezu vollständig zerstört ist und kaum mehr in der Lage ist, Schilddrüsenhormone zu produzieren (klinisch manifeste Schilddrüsenunterfunktion).
An der Entzündung sind Antikörper beteiligt, die der Körper selbst bildet (Autoantikörper). Diese richten sich gegen unterschiedliche Bestandteile der Schilddrüse, wie z.B. das Thyreoglobulin (Thyreoglobulin-Autoantikörper, TgAA/ TAK) – ein Molekül, das die Hormone in der Schilddrüse enthält. Werden diese Antikörper im Blut nachgewiesen, spricht das oft für eine Entzündung der Schilddrüse. Ob bereits ein Hormonmangel, also eine Unterfunktion, vorliegt, kann anhand der Antikörper nicht beurteilt werden.
Der Grund für das Auftreten einer Schilddrüsenunterfunktion ist bisher nicht genau bekannt. Neben anderen Faktoren spielt die Genetik eine Rolle.
WELCHE SYMPTOME TRETEN BEI EINER SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION AUF?
Die Schilddrüsenhormone beeinflussen den gesamten Stoffwechsel und somit auch jedes Organ des Körpers. Daher sind die Symptome einer Unterfunktion auch sehr vielfältig.
Grundsätzlich kann man sagen: Bei einem Mangel an Schilddrüsenhormonen ist der Körper „im Winterschlaf“.
Bei vielen Hunden stehen eine Gewichtszunahme sowie Haut- und Fellveränderungen im Vordergrund. Durch das körperliche Unwohlsein kann aber auch das Verhalten des Hundes beeinflusst werden. Am häufigsten genannt werden hier Antriebslosigkeit, schwierige Motivierbarkeit, eine eingeschränkte Fähigkeit zu lernen sowie Reaktivität, Angst- und Aggressionsverhalten.
Es sollte jedoch beachtet werden, dass auch zahlreiche weitere Erkrankungen die genannten Symptome auslösen können sowie dass bei einer Schilddrüsenunterfunktion nicht zwingend alle Symptome gezeigt werden müssen.
WIE KANN EINE SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION DIAGNOSTIZIERT WERDEN?
Das Stellen einer korrekten Diagnose ist in Bezug auf die Schilddrüse nicht immer einfach: viele Faktoren beeinflussen den Schilddrüsenstoffwechsel und somit die im Blut gemessenen Schilddrüsenwerte. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem die Ernährung des Hundes, Erkrankungen und Medikamentengaben, aber auch (chronischer) Stress, der z. B. durch Verhaltensprobleme entstehen kann.
Tipp: Die Verfütterung von Schlundfleisch mit anhaftendem Schilddrüsengewebe kann den Schilddrüsenstoffwechsel und somit auch die im Blut gemessenen Hormonwerte stark beeinflussen.
Ein genaues Erfassen der gesundheitlichen und verhaltensmedizinischen Vorgeschichte ist daher mindestens ebenso wichtig wie eine umfassende Allgemein-, Blut- und Urinuntersuchung. Hinzukommen können je nach Fall spezielle Untersuchungen wie Röntgen oder Ultraschall. Nur so können andere Erkrankungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Ein alleiniges Messen des T4-Wertes im Blut ist nicht geeignet, um eine Schilddrüsenunterfunktion sicher zu diagnostizieren.
Das Risiko ist hoch, dass andere Erkrankungen übersehen werden, die den Schilddrüsenstoffwechsel beeinflussen und so eine Schilddrüsenunterfunktion vortäuschen.
Insbesondere in der Phase der subklinischen Schilddrüsenunterfunktion ist das Stellen einer Diagnose nicht einfach. Symptome treten kaum oder sehr subtil auf (subklinisch = klinisch nicht oder nur schwer erkennbar) und die Hormonkonzentrationen im Blut müssen noch nicht verändert sein.
Um eine korrekte Diagnose stellen zu können, ist es daher oft erforderlich, die Schilddrüsenwerte mehrfach in einem zeitlichen Abstand zu kontrollieren, um den Verlauf beurteilen zu können. Neben den Untersuchungsergebnissen, der Ernährung und dem Verhalten des Hundes sollten auch Alter und Rasse in die Interpretation der Schilddrüsenwerte mit einbezogen werden.
WIE WIRD EINE SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION BEIM HUND BEHANDELT?
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist die Schilddrüse nicht mehr in der Lage, ausreichende Mengen an Schilddrüsenhormonen zu produzieren. Diese Schilddrüsenhormone müssen daher von außen zugeführt werden. Eine gesunde Schilddrüse bildet zwei Hormone: Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (auch Thyroxin, T4). In der Regel wird in der Therapie jedoch nur das Schilddrüsenhormon T4 eingesetzt. Der Körper ist üblicherweise in der Lage, aus dem Vorläufer-Hormon T4 selbst das aktive Hormon T3 zu bilden und die Menge somit an seinen jeweiligen Bedarf anzupassen.
Die Zufuhr der Schilddrüsenhormone sollte so erfolgen, wie eine gesunde Schilddrüse arbeitet: zuverlässig und ohne Ausnahme jeden Tag.
Momentan sind auf dem Markt unterschiedliche Präparate verfügbar. So kann T4 in Tablettenform oder aber als Flüssigkeit gegeben werden. Beachtet werden sollten hier die unterschiedlichen Anforderungen an die Lagerung: Schilddrüsenhormone in Tablettenform werden bei Raumtemperatur gelagert (Forthyron® bei maximal 25°C, Wethyrox® bei maximal 30°C), in flüssiger Form (Leventa®) hingegen im Kühlschrank bei 2°C bis 8°C. Alle Hormone sollten lichtgeschützt aufbewahrt werden.
WAS SOLLTE ICH BEI DER THERAPIE DER SCHILDDRÜSENUNTERFUNKTION BEACHTEN?
Damit überprüft werden kann, ob der Hund die passende Dosierung an Schilddrüsenhormonen erhält, müssen regelmäßig Blutkontrollen erfolgen. Die erste Kontrolle erfolgt dabei ca. 6 bis 8 Wochen nach Beginn der Hormongabe. Anschließend wird die Dosis bei Bedarf angepasst und die Blutwerte werden bis zum Finden der passenden Dosierung alle 2 bis 4 Wochen kontrolliert.
Ist der Hund adäquat eingestellt und die Symptome sind gut kontrolliert, reichen im Folgenden halbjährliche Kontrollen aus. In der Regel wird bei der Kontrolle der Maximalwert von T4 im Blut gemessen. Daher liegt der Zeitpunkt der Blutentnahme 2 bis 6 Stunden nach der Hormongabe. Besteht der Verdacht, dass der Hund nicht gut eingestellt ist, kann es sinnvoll sein, zusätzlich unmittelbar vor der nächsten Hormongabe den Minimalwert von T4 im Blut zu bestimmen.
Tipp: Der Zeitpunkt zwischen Hormongabe und Blutentnahme sollte bei den Verlaufsuntersuchungen möglichst konstant sein, also z.B. immer bei 4 Stunden liegen. So können die Messergebnisse besser verglichen werden.
Bei der Hormongabe sollte außerdem beachtet werden, dass die Schilddrüsenhormone am besten in den Körper aufgenommen werden, wenn sie nüchtern gegeben werden. Das bedeutet, dass der Hund etwa 4 Stunden vor und 30 bis 60 Minuten nach der Hormongabe nichts fressen sollte. Ist das nicht möglich, sollte die Gabe konstant immer mit Futter erfolgen und die korrekte Dosis an diese Voraussetzungen angepasst werden.
Ist die richtige Diagnose gestellt, können erkrankte Hunde durch die Zufuhr von Schilddrüsenhormonen in einer adäquaten Dosis ein langes Leben mit hoher Lebensqualität führen.
Wenn Sie nun neugierig geworden sind und mehr über die Hintergründe der Schilddrüsenunterfunktion beim Hund, die Besonderheiten der subklinischen Schilddrüsenunterfunktion, die Zusammenhänge zwischen Schilddrüse und Verhalten sowie Tipps und Tricks zur Therapie erfahren möchten, finden Sie diese Informationen im Buch „Schilddrüsenunterfunktion beim Hund – Fragen und Antworten für Hundehalter“ von Dr. Lara Steinhoff, erschienen im Easy Dogs Hundebuch-Verlag.