Chill mal deine Basis: Entspannungsarbeit im Hundetraining und Training der konditionierten Entspannung
Ich kneife die Augen zusammen, schaue mein 14 jähriges Testomännchen an, atme hörbar ein und beginne zu lachen – das klappt jedes Mal – wieso bloß? Hatte er vielleicht doch besser in Biologie aufgepasst als seine Note vermuten ließ und mich auf das Hörsignal “ChillmaldeineBasis“ konditioniert? Wäre das denn überhaupt möglich, wozu sollte es gut sein und wenn, wäre es wirklich wünschenswert? Und sind das nicht die gleichen Fragen, die sich der normale Hundehalter stets fragt, wenn ich ihn bei meinem Erstgespräch mit Entspannungstraining als wichtige Säule meiner Arbeit konfrontiere?
Die Gesichter meiner potentiellen Kunden spiegeln sehr unterschiedliche Emotionen wieder, wenn ich Ihnen meine Arbeitsweise in Kurzform offeriere. Spätestens bei Nennung der konditionierten Entspannung schwanken sie zwischen ungläubigem Staunen, interessierter Neugier, abwartender Skepsis oder begeistertem Glauben Wollens. Mir persönlich ist abwartende Skepsis in diesen Momenten am liebsten. Die Erfahrung zeigt, dass der Mensch, der sich kritisch mit den jeweiligen Trainingsmethoden auseinandersetzt, den Trainer natürlich mehr fordert, weil er schlüssig und transparent erklären können muss, warum und wieso gerade dieses Werkzeug, auf welchen Ebenen wie funktioniert. Wenn der Skeptiker einmal das „Warum und Wie“ verstanden hat, ist er oftmals derjenige, der am zuverlässigsten, nachhaltigsten mit seinem Fellkind arbeitet.
Ganzheitliches Training – Maßnahmen der Entspannung
Zu meiner Trainingstechnik gehörte die Entspannung schon bevor ich „Cum Cane“ kennen lernte, da Entspannung auch zu meiner Trainer- und Verhaltensberaterausbildung gehörte und dabei Teil einer Fortbildung über Linda Tellington und ihren „Tellington Touch“ war. Ich bezweifelte dabei nie, dass man Entspannung überhaupt auf Signal setzen kann, auch nicht dass es eine direkte (über Massage) und/ oder indirekte (konditioniertes Wortsignal) Möglichkeit gibt, Entspannung aufzutrainieren. Was mir immer fehlte war die wissenschaftliche Erklärung dafür, warum es funktioniert.
Die fehlende Erklärung auf beiden Seiten, ließ mich immer zögern, Kunden diese Möglichkeit zu offerieren. Wie sollte ich Menschen für etwas begeistern, das ich selber nicht wirklich verstand? Die Idee, dass es reine Stimmungsübertragung sei, überzeugte mich ebenso wenig, wie die eher esoterisch anmutende Erklärung, dass über die Berührung des Körpers, „Lichter in den Zellen angezündet werden“. Das änderte sich als ich Dr. Ute Blaschke-Berthold traf, sie lieferte den wissenschaftlichen Background zu diesem Phänomen. Gleichzeitig lebt und lehrt sie eine jeden Horizont sprengende Denkweise, wie tief, reflexiv und weit jemand in ein Thema einsteigen kann, ohne den praktischen Bezug oder das jeweilige Publikum aus den Augen zu verlieren. Einige Seminare später, gehörte konditionierte Entspannung zu einer festen Größe bei meinen Einzel- und Gruppentraining, ohne Angst vor noch so kritischen Nachfragen meiner Kunden.

WOZU IST DIE KONDITIONIERTE ENTSPANNUNG GUT?

Betrachten wir es doch mal Punkt für Punkt und auf reales Training bezogen. Stellt sich doch zunächst die Frage: „Wozu soll konditionierte Entspannung gut sein?“
Nun erst mal kann es niemandem, auch unseren Tieren, nicht schaden, ein bisschen relaxter durch den Alltag zu gehen. Aber nur weil es nicht schaden kann, heißt es ja nicht unbedingt, dass es etwas nützt. Wenn wir die Entspannung jedoch als direkten Gegenspieler zur Erregung begreifen und Erregung als Ursache der meisten Probleme, die Menschen mit Hunden haben, ist der Nutzwert im Umgang mit unseren Hunden sehr hoch.
Die wissenschaftliche Erklärung, lieferte und ist auch dort nachzulesen, Dr. Ute Blaschke-Berthold bei “Easy Dogs”.
Jeder von uns kennt Situationen in denen der Erregungslevel unseres Vierläufers so hoch ist, dass egal wie wir auch reagieren mögen, ein Durchdringen zu ihm nicht mehr möglich ist. Dabei ist es einerlei, ob wir tobend herumschreien, verzweifelt in Tränen ausbrechen, enttäuscht und Schüppchen ziehend mit dem Fuß aufstampfen oder uns nackt ausziehen, zwei blutige Steaks um den Hals hängen und dabei schluchzend auf dem Boden kugeln. Ist uns mit solchen verstörenden Ausbrüchen die ungeteilte und sicherlich staunende Aufmerksamkeit unserer Mitmenschen sicher, kann unser Hund aus unterschiedlichen Gründen gerade nicht auf uns reagieren oder gar mit uns kooperieren. In solchen Momenten wäre ein Trainingswerkzeug, das seine Erregung herunter fährt und ihn kurzfristig wieder in unsere Welt zurück holen könnte, eine wunderbare Chance aus dem scheinbar ausweglosen Konflikt heraus zu finden.

FALLBEISPIELE
Was für Situationen meine ich konkret? Ein paar Beispiele aus meiner Praxis, allerdings ohne Namen oder Details, die den einzelnen Halter/In denunzieren könnten.
Beispiel 1:
Hund (ca.2 Jahre) seit zwei Monaten in der Familie, Ersthundehalter/In, Probleme mit der Einschätzung des gezeigten Hundeverhaltens in verschiedenen Situationen. Ein zunehmend angstbesetztes Thema, Mensch kommt nach Hause, Hund kommt stürmisch zur Begrüßung, er springt ununterbrochen an, versucht mit seinem Fang in Richtung Menschengesicht zu gelangen, beruhigt sich nicht. Mensch fühlt sich bedrängt, empfindet Begrüßungssituation als unangenehm. Gegenmaßnahme: Hund wird weg geschubst, Knie wird als Barriere oder zum Zurückhalten eingesetzt (nicht treten), Abbruchssignale „Nein“, „Aus“ werden vergeblich eingesetzt. Entwicklung: Hund lässt sich mit eingesetzten Mitteln nicht zurück drängen, Rückkehrsituation wird als immer heftiger, beängstigender empfunden, aus Sicht der Halter/In „attackiert“ der Hund sie mittlerweile mit offenem Fang und schnappt dabei in die Luft.
Meine Beobachtungen(Kurzform):
Hund zeigte sich sehr sensibel in Bezug auf menschliche Körpersprache. In der beschriebenen Situation (Bezugsperson kommt nach Hause), zeigte er ein sehr hohes Erregungsniveau(schneller Herzschlag, hohe Atemfrequenz, Stressgesicht, u.a.), Hund begrüßte Mensch sehr aufgeregt mit deutlichen Beschwichtigungssignalen und Unsicherheit. Jede aversive Intervention des Menschen, verstärkte das Beschwichtigungsverhalten des Hundes bis zum Anspringen im Sekundentakt, mit offenem Fang mit deutlicher Bewegung in Richtung untere Gesichtshälfte. Ausdrucksverhalten in groben Zügen: Weit aufgerissene Augen, eine Stressfalte unter dem rechten Auge, offenen Fang mit langer Maulspalte, sichtbarer Zunge und Speichelfäden, nach hinten verlagerte, angepresste Ohren, Schwerpunkt weit nach hinten, deutlich unterhalb der(für diesen Hund typische) entspannten Haltung getragene Rute, bei Landung eher einknickend in der Hinterhand.
Beispiel 2:
Hund (4 Jahre), in der Familie seit Welpenzeit, hundeerfahren, Liebhaber einer Rasse, keine Probleme innerhalb des Alltags mit ihrem Hund. Problematisch wird Verhalten auf dem Hundeplatz empfunden, weil Hund Apportel (Dummy) unzuverlässig bringt und es nicht abgibt. Insbesondere tritt dieses Verhalten in Prüfungssituationen auf, was schon zweimal zum Scheitern geführt hat. „Aus“ ist ein etabliertes Signal, funktioniert ansonsten zuverlässig. Gegenmaßnahmen: Zunächst Tauschversuche mit Futter, Korrektur über Wiederholung bestimmter Signale, Apportel aus dem Fang ziehen, Versuche den Kiefer aufzuhebeln mit der Hand, „Schnauzgriff“, abwarten bis Hund Dummy selber ausgibt, um ihn an sich zu nehmen, Druck über Lautstärke und Körpersprache.
Meine Beobachtungen (Kurzform):
Hund macht sobald er den Platz betritt, einen angespannten Eindruck, trägt die Rute höher als im entspannten Zustand, hat eine erhöhte Atemfrequenz. Er zeigt wenig Impulskontrolle, wenn die anderen Hunde vor ihm mit der Arbeit beginnen, verfällt er in ein hohes Dauerbellen. Er arbeitet sehr zielstrebig von seinem Menschen weg, lässt sich gut verweisen, hat er den Dummy aufgenommen, läuft er je nach Distanz schnell in direkter Linie auf seinen Menschen zu. Etwa 5 Meter vor seinem Menschen wird die Vorwärtsbewegung merklich zögerlicher, er nähert sich freiwillig genau bis auf einen halben Meter und setzt sich dort in den Vorsitz. Er wird dann jeweils „nachkorrigiert“, rutscht aber im Hinsetzen immer wieder mindestens 30 cm nach hinten. Körperschwerpunkt ist deutlich vom Menschen weg, Kopf ist abgesenkt und abgewendet, Ohren nach hinten und angepresst, Augen blicken in Richtung „Menschenhand, die Apportel verlangt“. Die Kiefer sind fest zusammen gepresst, ein Ausgeben des Dummys nicht möglich. Mensch hat selber „ungutes Bauchgefühl“, wenn er nach dem Dummy greift, um zu versuchen, es seinem Hund abzunehmen.
Beispiel 3:
Hund (etwa 6 Jahre) seit seinem 8. Lebensmonat in der Familie. Hauptproblematik sind Artgenossenbegegnungen an der Leine, er ist laut Halter/In kaum zu bändigen, aggressiv mit der klaren Tendenz nach vorn zu gehen und gesträubtem Nackenfell. Gegenmaßnahme: Unzählige Versuche, das Verhalten zu beenden, über Ablenkung (Futter), Augen zu halten, Halti, zuletzt vermeiden von direkten Begegnungen, Einschränkung von Spaziergängen.
Meine Beobachtungen(Kurzform):
Der Hund ist schon sehr erregt, wenn er sein Geschirr im Haus angelegt bekommt, sobald er draußen startet, ist er sehr unruhig, kaum noch ansprechbar, wechselt oft die Seite, schnüffelt viel. Nähert sich Hund von hinten oder von der Seite, kann er es lange Zeit gut aushalten sich kurz umzuschauen, widmet sich aber immer wieder den Umweltreizen(schnüffeln), nähert sich Hund von vorn, reagiert er schon auf einer Distanz von ca.100 Metern, verlangsamt, Atemfrequenz geht nach oben, Körperschwerpunkt eher auf der Hinterhand, Rute auf Rückenhöhe, Ohren nach vorne gerichtet, Fell stellt sich zunächst im Nackenbereich später auch auf der Kruppe auf. Er ist schon bei Anblick kaum noch erreichbar, auf etwa 50 Meter ist er damals partiell (Schulterbereich) eingefroren, direkt danach eskaliert die Situation, extrem hoher, lauter Atemfrequenz, Knurren, nach vorn preschen, steigen und winden im Geschirr.
Anwendungsgebiete der konditionierten Entspannung
Sind dies Situationen in denen man erwarten könnte, dass hier konditionierte Entspannung zum Tragen kommt und auch noch helfen soll? Ja, unbedingt! Und ja, aber! Jedem, der mit Hunden lebt, liebt und arbeitet, ist klar, dass ihr Verhalten sehr komplex ist und eine einzige Maßnahme unmöglich die Lösung aller Probleme sein kann. Konditionierte Entspannung ist immer nur eine Säule unserer gemeinsamen Arbeit.
Zu Beispiel 1:
Der beschriebene Hund zeigt bei der Begrüßung von vornherein eine hohe Erregung und Beschwichtigungsverhalten. Reagiert sein Mensch zurückweisend, versucht sein Hund folgerichtig noch mehr zu beschwichtigen. Die permanente aversive Zurückweisung löst einen Teufelskreis von Frustration, immer heftigeren Beschwichtigungsversuchen und immer aversiver ausfallenderen Blockierungsversuchen aus. Gerade in diesem Fall hat das auftrainieren der konditionierten Entspannung (hier indirekt, weil der Hund Berührungen kaum kannte und mit Erregung verbunden war) sehr schnell funktioniert. Nach drei Wochen, konnte er allein über das Entspannungshörsignal „CalmDown“ frustfrei gestoppt und ruhig begrüßt werden.
Zu Beispiel 2:
Mensch und Hund waren auf dem Hundeplatz sehr angespannt, gerade in Prüfungssituationen kam die Aufregung beim Menschen über Hektik, laute Ansprache, körpersprachliche Bedrohung zum Ausdruck. Der Hund zeigte bei Druck Meideverhalten im Einflussbereich seines Menschen, mit einer Art Kiefersperre, die ein freiwilliges Ausgeben des Apportels unmöglich machte. Bei anhaltender Übergriffigkeit des Menschen, sah man die ersten Anzeichen von Ressourcenverteidigung. Unter anderem über die konditionierte Entspannung (direkt und indirekt) konnten wir sowohl das Meidevehalten als auch das Tauschen der Beute ermöglichen. Bei seinem Entspannungswort „Relax“ und taktilem Entspannungsignal , entriegelte sein Kiefer wie von Zauberhand und er konnte frustfrei seinen Dummy in die geöffnete Hand abgeben.
Zu Beispiel 3:
Hier war es ein längerer Trainingsweg mit unterschiedlichen Werkzeugen notwendig. Dabei war die Einhaltung bestimmter Distanzen, ohne dass der Hund eskalierte unbedingt zu beachten. Das taktile Entspannungssignal (flache Hand umfasst fest den Brustkorb), fungierte bei ihm als weiße Flagge oder Türöffner. Nach dem Motto, „Wende dich mal kurz mir zu, ich habe da eine weniger stressende Idee, wie wir durch diese Situation kommen“.
Abschließend zu den genannten Fallbeispielen, ist es mir wichtig zu erwähnen, dass konditionierte Entspannung, wie jedes andere Trainingswerkzeug, verstanden, gut trainiert und geplant angewandt werden muss. Dies ist auch die Herausforderung an den Trainer, dieses wunderbare Werkzeug überzeugend, ehrlich und ausreichend zu erklären. Hier ist Empathie für seine menschliche Kunden gefragt. Heißt; ihn dort abzuholen, wo er steht, Lerninhalte anzupassen, Schulddiskussionen in jedem Fall zu vermeiden, angstfreie Fragen möglich zu machen, keine falschen Hoffnungen zu wecken- kurz gesagt als Berufscredo – „Respektvoller Umgang mit Mensch und Tier“.
WELCHES SIGNAL?

Ist denn gar keine Zucht und Ordnung in deinem Training? Darf da denn jeder sein eigenes Signal verwenden, wie er möchte? Ja, unbedingt! Und ja, aber! Ich lasse meinen Kunden bei der Wahl ihrer Wortsignale völlig freie Hand. Kreative Signale, die überraschend sind, nehmen sehr viel Druck aus der Stimme und dem Training. Worte transportieren Emotionen, durch ihre Bedeutung, ihren Kontext oder ihren gesellschaft- geschichtlichen Hintergrund. In diesem Bewusstsein, ist es mir wichtig, dass meine Signale ein Lächeln transportieren. Beispielsweise entlockt es mir immer ein Schmunzeln, wenn unser blindes Katzenömchen auf „Taxi“ verharrt, den Popo nebst Rute nach oben streckt und maunzend auf ihre Menschensänfte wartet. Wieso dann das „Ja, aber“? Ich weise meine Kunden grundsätzlich auf die Kriterien hin, die ein Signal erfüllen sollte, damit ich es auch als wirkungsvollen Pfeil aus meinem Köcher ziehen, zielen, abschießen und treffen kann.
Ein Signal sollte:
- nicht „verbrannt“ sein, heißt, schon mit negativen Verknüpfungen verbunden sein,
- nicht angeborene Angstreflexe auslösen, wie z. B.: Zischen oder Zischlaute,
- nur ein Verhalten auslösen, heißt nicht mehrfach besetzt sein, wie z.B.: „Aus“ gleichzeitig für ausgeben, aufhören zu bellen, Abbruchsignal, etc.
- dem Menschen nicht unangenehm oder peinlich sein. Kurz gesagt, es hilft mir das bestens trainierte Signal wenig, wenn ich es in Gesellschaft oder bei Anblick meiner befeindeten Lieblingsnachbarin nicht zu sagen wage,
- in der Situation nicht zu Verwirrung beim Gegenüber führen, wie z.B.: ein „Prima“ als Entspannungswort, wenn ich es bei Artgenossenaggressionen bzw. Begegnungen an der Leine verwenden will. Man stelle sich sein Gegenüber vor, wenn ich meinen Hund mit beschwörendem „Prima“ versuche herunter zu fahren, während er offenbar gerade versucht seinen Artgenossen zu fressen. Falls einem in diesem Moment die kleine Omi mit ihrer Krücke verhaut, um ihren Hund zu schützen und ihrer Empörung Ausdruck zu geben, ist das aus ihrer Sicht sehr verständlich. Und ein „Ich beruhige nur meinen Hund!“, rettet uns da höchstwahrscheinlich auch nicht mehr.
- olfaktorische Signale wie z.B.: ätherische Öle, sollten sowohl unserer empfindlichen Fellnase als auch uns selbst angenehm sein. So fällt das gern genommene Lavendelöl für mich flach, weil ich bei diesem Geruch spontan Migräne entwickele und zudem immer das Gefühl habe, ich bin eine Moniermotte, gefangen im Kleiderschrank meiner Großtante. Glücklicherweise gibt es genügend Auswahlmöglichkeiten an unterschiedlichen wirkungsvollen ätherischen Ölen. Wenn meine Kunden diese wenigen Punkte beachten, ist der Kreativität in Bezug auf ihre persönlich bevorzugte Signalgebung kaum Grenzen gesetzt.
Wenn man sich endlich über das Entspannungswort oder die Art der Massage klar geworden ist, folgt automatisch die Frage; „Wie sage ich es meinem Hund?“. Das „Wie“ und mögliche Fehler beschreibt Dr. Ute Blaschke-Berthold in ihrer Artikelserie bei „Easy Dogs“. Dabei gibt uns unser Hund vor, welche Möglichkeiten wir nutzen können Entspannung zu trainieren. Ein Hund, der Berührungen als unangenehm oder erregend empfindet, eignet sich natürlich weniger für die direkte Entspannung über Massage. Möchte ich es trotzdem an meinem Hund anwenden, bietet sich ein Entspannungstrainingsseminar bei „Cum Cane“ oder einem entsprechend ausgebildeten Trainer/In an, der einem Schritt für Schritt die Technik, Körperzonen, Hilfsmittel und Körpersprache des eigenen Vierläufers nahe bringt. Es schleichen sich dann erst gar keine Fehlverknüpfungen ein oder sie können schneller korrigiert werden. Außerdem kann man direkt nachfragen, welche Mechanismen denn bei der konditionierten Entspannung zum Tragen kommen. Das „Wie oft“ soll ich das neue Hörsignal meinem Hund antragen, während er gerade total gechillt auf der Couch lümmelt, beantwortet sich für Menschen in Partnerschaften ganz von allein. Weckt die Dame des Hauses ihre Fellkugel im Minutentakt und begeistert mit einem lauten, langgezogenen „EeeeeASYyyyyyyyyy!!“, während der Tagesschau, dauert es meist etwa 10 Minuten bis es aus einer Ecke des Hauses und aus dem entnervten Partner schallt: „Boahhh-Lass endlich den armen Hund schlafen!!!“. Über diese kleinen Missstimmungen in der Partnerschaft sollte man sich dann jedoch hinweg setzen im Sinne des Fellkindeswohls und erwünschten Trainingserfolges.
OXYTOCIN – DAS KUSCHELHORMON
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Ein Begriff der uns im Zusammenhang mit Entspannung immer wieder begegnet ist „Oxycotin“ . Neben den sehr komplexen Abläufen auf der Ebene der Neurotransmitter, Hormone und Pheromone bei der Anwendung vom Entspannungstraining, schauen wir nur kurz auf das Hormon „Oxycotin“. Als ich das erste Mal hörte, dass bei der systematischen Massage der Haut, das Hormon „Oxycotin“ ausgeschüttet wird, war ich wenig überzeugt. Ich kannte dieses Hormon nur als überdosierten Cocktail, den man in meine Venen jagte, als mein Frauenarzt entschied, es sei Zeit, mein „Nülli Klitzeklein“ zu gebären. Dieses Hormon in hohen Dosen, verursacht Wehen, da es direkt auf die Gebärmutter und die Kontraktion des Uterus einwirkt, die einem die Beine unter dem Babybauch weg hauen – was sollte daran, außerhalb der beschriebenen Situation, erstrebenswert sein? Ich sollte lernen, dass Oxycotin auch sehr viel angenehmere Wirkungen hat. So ist es u.a. zuständig für soziale Bindung und Entspannung. Eine ganze Zeit geisterte der Begriff „Kuschelhormon“ durch die Presse, es gab sogar den Ansatz einer Studie, Oxycotin in Nasensprayform anzuwenden, als Treuegarant in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das hat für mich etwas sehr Befremdliches und erinnerte mich an Patrick Süßkind „Das Parfum“. Ich empfand diesen Einsatz als einen persönlich motivierten Eingriff mit höchst egoistischem, manipulativem Charakter. Die Möglichkeiten, die dieses Hormon in Bezug auf eine eventuelle Verbesserung des Krankheitsbildes bei psychischen Erkrankungen (Depressionen), wäre sehr wünschenswert und zumindest eine Hoffnung.
Welche Wirkung und Nebenwirkungen, welche Anwendungsgebiete und in welcher Verabreichungsform uns Oxycotin in der Zukunft noch begegnen wird, wird hoffentlich eine immer intensivere wissenschaftliche Forschung in unterschiedlichsten Disziplinen die Fachbereichsübergreifend zusammen arbeiten, zeigen. Unabhängig davon, nutzen wir das heutige Wissen um die Wirkung von Oxycotin in unserem täglichen Training in einer bindungsfördernden, frei von unerwünschten Nebenwirkungen, positiv verstärkenden Art und Weise.
- Was erwirkt konditionierte Entspannung im Training?
Für uns als Hundehalter, bleibt festzuhalten und wichtig: Wir bekommen ein ganzes Bündel an erwünschten Dingen über das Entspannungstraining. Einen entspannten Partner auf vier Pfoten, ein Werkzeug, dass ich in potentiell stressigen Situationen verwenden kann, ohne das Frustration entsteht, eine intensivere Bindung auf beiden Seiten der Leine. Dafür muss der Anwender vergleichsweise wenig investieren und nur wenige Regeln beachten. Das Beste ist, dass dieses Training nicht als Einbahnstraße verläuft. Bedeute; in dem Moment, wo ich die Haut als größtes Organ meines Hundes massiere, passiert der Prozess (Akupressur der Haut, Aktivierung der A-Beta Faser der Nervenenden, direkte Weiterleitung an den Parasympathikus, Anhebung des Oxycotinspiegels) ebenso bei mir. Wir entspannen, als Sahnehäubchen oben auf, direkt mit. Bekannt ist dieser positive Effekt auf das Herz-Kreislaufsystem bei Menschen, die ihre befellten Mitbewohner streicheln schon über 10 Jahre, allein die wissenschaftliche Erklärung fehlte. Bis zu den gewonnenen Erkenntnissen, wie, warum und wo Ocytocin wirkt. Es ist alles in Allem ein perfektes Arbeiten an einem neuen Signal für stressige Momente, einer besseren Bindung und einer entspannten Beziehung. Hilft übrigens auch bei der Stärkung unserer zwischenmenschlichen Beziehung. Vielleicht einfach mal das dicke Flanellnachthemd, mit Schlafsocken und Schlafmaske unter getrennten Oberbetten weg lassen und mal wieder unter einer Decke, der eigenen und der Haut des Partners Druck machen? Don`t panic!-Ist keine anzügliche Aufforderung zu zügellosem Sex (obwohl auch beim Orgasmus Oxycotin ausgeschüttet wird!!Hätte also fast eine medizinische Indikation.) Es funktioniert schon wunderbar durch enges Kontaktliegen oder Kuscheln. Haut an Haut verraucht viel Ärger über Nacht wie von Zauberhand und chillt die eigene und die Beziehungs-Basis.
Es gibt mittlerweile einige Trainingsansätze oder Hilfsmittel auf dem Markt, die sich genau dieser Wirkung der Oxycotinausschüttung bedienen. Hier ein paar Beispiele an Trainingshilfsmitteln oder Methoden, die auf eben diese Wirkung abzielen, z.B.: – das „Thundershirt“ von Wolters, Körperbänder nach Linda Tellington bzw. Massagetechniken nach „Tellington Touch“, „Yoga“ für Hunde, Aromatherapien mit ätherischen Ölen, die nachweisbar die Blut-Hirnschranke überwinden und dort die Dopaminproduktion unterdrücken, während der Serotoninstoffwechsel angekurbelt wird, was zur Beruhigung/ Entspannung führen, „DAP“ (dog appeasing pheromone), ein Pheromon, das dem der laktierenden Mutterhündin nachgebaut wurde, das sie mit Hilfe von Bakterien in einer Falte der Mammaleiste produziert und der Entspannung, sozialen Bindung beim Säugen dient. Dieses Pheromon nimmt nur unser Hund wahr, es wirkt angstlösend, im Besonderen bei Angst vor dem/beim Autofahren. Nun weiß man nicht nur das, sondern warum diese Methoden/ Hilfsmittel oftmals als flankierende Maßnahme so gute Erfolge erzielen. Ich würde sie immer wieder in meiner Arbeit empfehlen und anwenden, denn die Wirkung ist nachgewiesen und nahezu ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Was hat es nun auf und für sich mit dieser konditionierten Entspannung?
Ist es der langersehnte Schalter, der uns ermöglicht unsere Fellkids herunter zu fahren, potentiell stressige Situationen auszublenden oder Bindung zu erbauen, auf Knopf(Haut)druck, wie es uns gefällt? Der Durchbruch in der Hundeerziehung, der alle anderen Signale überflüssig macht? Braucht es überhaupt jeder Hundehalter in seinem Werkzeugkoffer, auch der, der den unaufgeregt durch die Welt wandernden Sozialarbeiter unter den Hunden an seiner Seite weiß?
Mein Fazit:
Es ist sicherlich kein Wundermittel. Es bedarf des sorgfältigen Trainings, angepasst an die Bedürfnisse des eigenen Fellkindes. Es bedarf des zuverlässigen Nachladens, damit es nicht zu Fehlverknüpfungen führt und nachhaltig weiter wirkt. Es bedarf eines informierten Menschen, der es auch bereit ist situativ anzuwenden in dem Vertrauen, Mut und Wissen, dass es tatsächlich hilft.
Es wird immer nur so effektiv wirken, wie es trainiert wurde und welche Unterstützung Sie Ihrem Hund zusätzlich an Lösungen anbieten können. Es wird immer an den Umständen hängen, der Tagesform, welche Stressoren, wie z.B.; Krankheit, Schmerzen, Langeweile, Änderung der Lebensumstände, Ihren Hund und seine Impulskontrolle anfressen, auf welche Umweltreize er besonders reaktiv ist und wie hoch der Druck dieser Reize, z.B.: hohes Wildaufkommen, läufige Hündinnen, etc., aktuell gerade ist.
Wozu aber braucht der ewig chillige Fellgandhi, zusätzlich zu seinem in sich ruhenden Gemüt eine Extraportion „Entspannung“? Ganz einfach, weil diese Ruhe eine äußerliche Beobachtung von uns Menschen ist, aus der wir eine innere Ruhe einfach unterstellen. Dies ist eine Behauptung und bar jeden Beweises. Ich mag das Bild des oberflächlich spiegelglatten, ruhenden Wassers, in das ein einziger hineinfallender Tropfen weite kreisende Wellen zieht und der das Wasser sogar zum Überlaufen bringen kann. Auch unter uns Menschen gibt es die Sorte, die nach außen sehr ruhig, fast emotionslos wirken und doch innerlich brodeln. Der Unterschied zu unseren Hunden, ist die Möglichkeit, diese Diskrepanz von außen und innen, sprachlich zu kommunizieren. Unseren Hunden fehlt uns gegenüber diese Möglichkeit, also sind sie auf unsere Empathie und Rücksichtnahme angewiesen. Ist es da nicht eine wunderbare Möglichkeit, die sich über die konditionierte Entspannung auftut? Ein „Sesam öffne dich“ in das emotionale Zentrum unserer Fellkinder, mit garantiert nur einer Nebenwirkung, einer besseren, entspannteren Beziehung. Kommen wir nochmal auf den Textanfang. Erinnern Sie Sich noch an das feixende Testomännchen mit seinem Softballanschlag auf mein Gesicht? Spinnen Sie die Geschichte mal zu Ende, wenn ich auf; „Chill mal deine Basis!“, abgehen würde wie ein Zäpfchen? Ich bin sehr froh, dass mein Sohn einen Weg gefunden hat, mich auf einen Entspannungssatz zu konditionieren. Es hilft uns dem täglichen Wahnsinn mit Humor zu trotzen und uns nicht willkürlich und ungerecht anzugehen. Es funktioniert nicht immer, aber immer öfter. Wir arbeiten daran. Wer könnte das nicht wollen? Ich kann mir niemanden vorstellen und ich habe wirklich viel Phantasie.
Quellen:
- Dr.rer.nat. Ute Blaschke – Berthold „Entspannungstraining 2009“
- Dr.rer.nat.Ute Blaschke Berthold „Werkzeugkiste der positiven Verstärkung 2011“
- Dr.rer.nat. Ute Blaschke- Berthold „Zellen, Hormone, Neurotransmitter, wo Verhalten entsteht 2013“
- Cornelia Löhmer und Rüdiger Standhardt „Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson“
- Jean Pierre Hourdebaigt “Canine Massage: A Complete Reference Manual”
- Kerstin Uvnäs-Moberg, Maria Petersson “Oxytocin, a Mediator of Anti-stress, Well-being, Social Interaction, Growth and Healing”
- www.pnas.org/content/111/5/1987 “Common polymorphism in the oxytocin receptor gene (OXTR) is associated with human social recognition skills”