Ist Aggressionsverhalten beim Hund normal und wie erkennt man es?
WAS IST AGGRESSION? WELCHE FUNKTION HAT SIE UND WARUM IST SIE NORMAL BEI HUNDE?
Aggressionsverhalten bei Hunden gehört zu den häufigsten Problemstellungen, auf Grund derer ein Hundehalter eine Verhaltensberatung bei einem Hundetrainer in Anspruch nimmt. Bei den betroffenen Hundehaltern ist der Wunsch nach einer schnellen Verhaltensänderung sehr groß, genauso wie die Angst, dass das Verhalten des Hundes Artgenossen, Menschen und die Umwelt gefährden könnte. Zudem ist der Druck von Außen oft sehr hoch – denn aggressiv soll ein Hund doch nicht reagieren!
Aber warum reagieren Hunde aggressiv und ist Aggression bei Hunden nicht normal?
Aggression gehört bei allen Lebewesen dazu und ist genetisch verankert, denn es sichert als Verhaltensprogramm das Überleben des Lebewesens.
Es kann auftreten, wenn sich ein Lebewesen entweder gegen eine Bedrohung wehrt oder wenn ein Lebewesen eine für ihn wichtige Ressourcen sichern möchte.
Was zum Beispiel ein Hund als Bedrohung empfindet oder als wichtige Ressource ansieht, ist individuell und von der bestimmten Situation abhängig – diese Entscheidung fällt das individuelle Hundegehirn, auch wenn es uns Menschen schwer fällt, dafür Verständnis aufzubringen.
Um eine Bedrohung abzuwehren, kann ein Hund, wie jedes andere Lebewesen auch, aggressives Verhalten zeigen. Angst und keine Möglichkeit zur Flucht, machen aggressives Verhalten bei allen Lebewesen wahrscheinlicher.
Wenn ein Hund zum Beispiel während einer Behandlung beim Tierarzt festgehalten und ihm jede Möglichkeit der Flucht genommen wird, besteht die Möglichkeit, dass der Hund sich dazu entschließt, nach der Hand des Tierarztes zu schnappen. Auch bei der tierärztlichen Behandlung einer Katze oder eines Elefanten besteht die Möglichkeit, dass das Lebewesen in dieser Situation aggressiv reagiert, da es sich bedroht fühlt.
Die stressige Situation und eventuelle Schmerzen während der Behandlung können aggressives Verhalten zusätzlich noch begünstigen. Auch organische Ursachen können aggressives Verhalten bedingen und die Klärung gesundheitlicher Probleme sollte bei der Bearbeitung von Aggressionsverhalten beim Hund immer Beachtung finden.
Ein Hund lebt in der Hundwelt und er kann deshalb nur wie ein Hund reagieren, auch wenn das in unserer Menschenwelt gerade nicht angebracht ist, uns stört oder wütend macht.
Hündisches Verhalten wird immer durch Gene und Umwelt beeinflusst. Die aktuelle Forschung ist nicht in der Lage, klar zu trennen, welchen Anteil die Gene und welchen Anteil die Umwelt an aggressiven Verhaltensweisen bei Hunden haben. Beides tritt immer im Wechselspiel auf.
Unter dem Einfluss Umwelt versteht man unter anderem die Aufzuchtbedingungen, die Erfahrungen, die ein Hund macht und was er bisher gelernt hat.
Ein Hund kann beispielsweise die Lernerfahrung machen, dass es sich lohnt aggressives Verhalten zu zeigen, wenn andere Strategien nichts nützen. Nehmen wir an, es handelt sich um einen Junghund mit längerem Fell, welches intensiv gepflegt werden muss. Dieser junge Hund hat die Erfahrung gemacht, dass Fellpflege auch schmerzhaft sein kann und läuft deshalb, sobald seine Halter die Bürste in die Hand nehmen, weg. Seine erste Strategie ist, der Bedrohung und den Schmerzen aus dem Weg zu gehen. Wenn diese Strategie ihm nicht hilft, das bedeutet seine Halter ihm nachgehen und die Fellpflege trotzdem durchführen wollen, könnte er eine andere Strategie wählen und vielleicht in die Offensive gehen.
Der junge Hund könnte sich dafür entscheiden, seine Halter anzuknurren. In der Hundewelt gehört Knurren zu einer Vielzahl von ritualisierten Drohverhalten, welche dazu dienen größere Schäden zu verhindern und Konflikte zu klären.
Auch in unserer Menschenwelt finden wir Vergleichbares, erst wenn man als Autofahrer beispielsweise 18 Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg stehen hat, wird einem der Führerschein entzogen. Es besteht für uns Menschen die Möglichkeit, dass wir zwischen einem und 17 Punkten, unser Verhalten anpassen, den Konflikt entschärfen und damit größeren Schaden abwenden.
Der Punktekatalog in Flensburg hat seine Berechtigung, wie auch das Knurren des Hundes. Leider wird vielen Hundehaltern oft der Rat erteilt, ein Knurren zu unterbinden oder sogar zu bestrafen. Der Hund verliert damit nur eine Verhaltensoption, die er zeigen kann, bevor er beißt und wir verpassen damit vielleicht die Chance, mit einem gut geplanten Training anzusetzen.
Aggression bei Hunden als normal zu bezeichnen, bedeutet nicht, dass wir mit dieser Strategie des Hundes leben müssen und wir dem Hund keine Alternativen an die Hand geben können.
Mein Wunsch und auch meine Empfehlung als Trainerin ist es, dass die Menschen aggressives Verhalten beim Hund wahrnehmen ohne es zu verurteilen, dann darüber nachdenken, was den Hund dazu veranlasst, es zu zeigen und in Zukunft dem Hund durch ein gut durchdachtes Training zu helfen, andere Strategien zu entwickeln.
Außerdem liegt es in unserer Verantwortung als Hundehalter die Umwelt zu schützen, umsichtig zu handeln und einen Hund, der aggressives Verhalten zeigt, zu sichern, denn diese Verantwortung kann kein Hund tragen.
Management im Umgang mit Hunden, die aggressive Verhaltensweisen zeigen, ist Pflicht – es zeichnet sich dadurch aus, dass man als Hundehalter seine Wahrnehmung für Feinheiten im Ausdrucksverhalten des Hundes schärft, Trainingssituationen vorher durchdenkt und der Hund gegebenenfalls nicht nur durch eine Leine, sondern auch einen Maulkorb gesichert ist. Generell sollte im Training nicht darauf gewartet werden, dass der Hund aggressiv reagiert. Wenn wir diese Zeit nutzen, um akzeptables Verhalten einzufangen, bieten wir dem Hund mehr Chancen das erwünschte Verhalten zu festigen, damit er später darauf zurückgreifen kann.
WAS IST AGGRESSION NICHT?
“Der testet heute nur wieder seine Grenzen…”, “Der möchte nur der Chef sein…”, “Der will mich nur wieder manipulieren.” – wer hat diese Sätze im Zusammenhang mit Hunden noch nicht gehört, vielleicht selbst schon einmal gesagt oder darüber nachgedacht, ob da nicht doch etwas dran sein könnte? Auch im Zusammenhang mit Aggressionsverhalten fallen diese Sätze. Aber möchten Hunde wirklich eine Position durch Aggression behaupten und kann Aggressionsverhalten vom Hund eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit und Leckerlies zu bekommen?
Um zu wissen, was Aggressionsverhalten nicht ist, sollte klar sein, was Aggressionsverhalten ist. Dabei ist es von großem Nutzen, wenn Diskussionen darüber auf einer gemeinsamen Grundlage stattfinden. Diese Grundlage bildet in diesem Fall eine gemeinsame Definition, in welcher klar wird, was unter Aggressionsverhalten zu verstehen ist.
In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich einige Definitionen zu Aggressionsverhalten finden, dazu kommen dann noch die verschiedensten Definitionen und Vorstellungen, die jeder einzelne Hundetrainer, Hundehalter und auch Nicht-Hundehalter zu diesem Thema hat. Missverständnisse können leicht entstehen und die Auseinandersetzung schwierig gestalten, wenn im Vorfeld nicht geklärt wird, was Aggressionsverhalten ist. In meinem ersten Artikel “Was ist Aggression, welche Funktionen hat sie und warum ist sie normal bei Hunden?” habe ich dargelegt, wie Aggressionsverhalten bei Hunden motiviert wird und warum es aggressive Verhaltensweisen bei jedem Lebewesen gibt.
Ist Aggressionsverhalten bei Hunden nur ein Streben nach Macht?
Die Idee, dass Hunde und auch Wölfe ihre Position in einem Rudel durch Kämpfe, also eigentlich Aggressionsverhalten, erlangen und schützen, ist weit verbreitet. Dennoch gibt es einige Argumente, die gegen diese Vorstellung sprechen.
In einem Rudel frei lebender Wölfe wird die Rangordnung nicht durch Kämpfe etabliert, sondern ist aufgrund der familiären Beziehungen zwischen den Wölfen gegeben.
Der Familienverband unter den Wölfen eines Rudels wird nicht durch Zwang oder Gehorsam gebildet, sondern basiert auf einer freiwilligen Kooperation aller Familienmitglieder des Rudels, da sich für die im Rudel lebenden Tiere Vorteile ergeben. Dies zeigt uns auch die aktuelle Wolfsforschung, welche die Annahmen widerlegen und erklären, die Forscher vor vielen Jahren durch die Beobachtung von Wölfen in Gefangenschaft gemacht haben.
Wenn frei lebende Wölfe in natürlich gebildeten Rudeln leben, wie leben dann unsere Hunde? Die aktuelle Forschung legt einleuchtend dar, dass ein Vergleich zwischen Hund und Wolf schwierig ist – genau so schlecht oder gut lassen sich menschliche Verhaltensweisen mit dem Verhalten von Affen vergleichen.
Hunde haben sich im Laufe der Evolution gemeinsam und sehr eng mit dem Menschen entwickelt und es finden sich keine Hinweise darauf, dass Hunde untereinander Rudel bilden, die einem Wolfsrudel ähneln. Die Frage, ob ein Hund und ein Mensch ein Rudel bilden können und es eine Rangordnung zwischen beiden gibt, sollte deshalb kritisch hinterfragt und betrachtet werden. Die Canidenforscher und Verhaltensbiologen Lorna und Raymond Coppinger haben in ihrem Buch “Hunde. Neue Erkenntnisse über Herkunft, Verhalten und Evolution der Kaniden” (Animal Learn Verlag, 2003) ihre Forschungen und Beobachtungen an Wölfen, Dorfhunden als Vorfahren unserer Hunde und Haushunden dargestellt. Sie kommen zu dem Schluss, dass weder die früheren Dorfhunde noch die heutigen Haushunde untereinander Rudelstrukturen wie Wölfe bilden. Hunde seien soziale Tiere, bei denen Kontakt zu Artgenossen und in der heutigen Zeit auch zu Menschen wichtig ist, aber sie leben nicht in festen Strukturen. Dennoch ist es ihnen möglich in Gruppen mit Artgenossen zusammenzuleben.
Raymond und Lorna Coppinger halten auch fest, dass sich zwischen Mensch und Hund keine Rudelstrukturen bilden.
Da es laut aktueller Forschung weder zwischen Mensch und Hund noch unter Hunden eine Rangordnung gibt, wird Aggressionsverhalten auch nicht zur Klärung dieser eingesetzt. Noch mehr Informationen dazu finden Sie in “Hunde. Neue Erkenntnisse über Herkunft, Verhalten und Evolution der Kaniden” (Animal Learn Verlag, 2003) von Lorna und Raymond Coppinger, im Quellenverzeichnis des Buches finden Sie außerdem weiterführende Hinweise zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. “Die Sache mit der Dominanz” ist auch hier nachzulesen.
Die Beziehungen und das Verhalten eines Hundes werden zu großen Teilen bestimmt durch die Erfahrungen, die der Hund in seiner Umwelt macht – die Grundlage dafür bildet das Lernen über Konsequenzen. Lernverhalten ist also der Schlüssel, um zu verstehen, warum sich ein Hund, wie verhält – egal, ob er aggressive Verhaltensweisen zeigt, einen Handtouch ausführt oder einen Ball apportiert.
Zeigt der Hund Aggressionsverhalten, um seinen Menschen zu ärgern?
Als Erstes stellt sich mir dabei die Frage, welchen Grund sollten Hunde haben Menschen zu ärgern? Was für einen Vorteil bringt es einem Hund, wenn er einen Menschen ärgert? Macht es Hunden Spaß uns Menschen zu ärgern und bildet das die Grundlage für ihr Verhalten?
Die emotionale Grundlage für Aggressionsverhalten ist niemals die Emotion Freude, sondern Angst oder Wut. Das bedeutet, kein Hund wird aus Spaß oder Freude Aggressionsverhalten zeigen. Biologisch gesehen wäre es unsinnig und kraftraubend, denn ein Hund würde sich damit sehr oft in Gefahr bringen und für das Überleben notwendige Ressourcen verschwenden.
Auch wenn uns das Verhalten des Hundes manchmal auf die Palme bringt und uns stört – aggressives Verhalten hat eine wichtige Funktion, die durch negative Emotionen angestoßen wird. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass ein Hund aggressive Verhaltensweisen zeigt, um einen Menschen zu ärgern.
Möchte der Hund nur seine Grenzen austesten?
Die Angst, dass der Hund Grenzen überschreitet, die ein Hundehalter aufgestellt hat, ist groß. Dennoch ist es es vollkommen normal, dass ein Hund auch mal Verhalten zeigt, welches unsere aufgestellten Grenzen überschreitet, denn jedes Lebewesen strebt nach Bedürfnisbefriedigung und versucht sein eigenes Überleben möglichst gut zu sichern. Bei jedem Signal, das wir dem Hund geben, wägt der Hund Optionen ab. Wenn wir den Hund beispielsweise zurückrufen, wird der Hund gern zu uns kommen, wenn er sich bei uns sicher fühlt, etwas Gutes erwartet und gern mit uns zusammen ist. Wenn ein Hund diese Lernerfahrung gemacht hat, wird es ihm nicht schwer fallen sich für uns und gegen die Ablenkungen aus der Umwelt zu entscheiden, das heißt der Hund lässt den hoppelnden Hasen ziehen und folgt unserem Rufen.
Der Knackpunkt dabei ist, wie ein Hundehalter seine aufgestellten Grenzen sichert. Wir können Verhalten einen Rahmen geben und damit eine Grenze aufbauen, in dem wir mit dem Hund Verhaltensweisen erarbeiten und trainieren und dabei auch Situationen so gestalten, dass erst gar keine Grenzüberschreitung möglich ist. Das bedeutet solange wir mit unserem Hund am Rückruf arbeiten und dieser unter Ablenkung noch nicht zum gewünschten Erfolg führt, bleibt der Hund durch eine Schleppleine am Geschirr gesichert.
Auf der anderen Seite können Grenzen auch gesichert werden, wenn der Hund eine Strafe fürchtet und damit Verhalten gehemmt wird. Einem Hund das Knurren zu verbieten, kann auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, da wir uns anderes Verhalten vom Hund wünschen. Bei genauer Betrachtung hat dieses Vorgehen ein paar schwerwiegende Nachteile. Ein Hund, der gelernt hat, dass Knurren bestraft wird, wählt nicht immer unbedingt ein angenehmeres Alternativverhalten, sondern greift eher auf Strategien wie Abschnappen oder sogar Beißen zurück. Außerdem wird die negative Emotion des Hundes in der Situation vollkommen außen vor gelassen. Der Hund wird sich in der Situation immer schlechter fühlen und das ist auch der Grund, warum der Hund immer öfter auf aggressives Verhalten zurückgreifen wird.
Grenzen können nur durch uns gesetzt werden, wenn der Hund das Verhalten, welches der Mensch regulieren möchte, willentlich steuern kann. Das bedeutet, wir stoßen ganz schnell an die Grenzen des Machbaren, wenn ein Hund sich plötzlich erschreckt und dadurch beispielsweise im Reflex nach hinten schnappt. Dieses Verhalten kann nur schwer eingegrenzt und auch verhindert werden. Abhilfe können dabei das Ankündigen und die Veränderung von Situationen schaffen.
Es gibt Hunde, die sich sehr erschrecken, wenn man sie im Schlaf berührt und dann auch nach der Hand schnappen. Sollte dahinter kein gesundheitliches Problem stecken und es sich wirklich um eine Schreckreaktion handeln, dann würde meine Trainingsempfehlung immer so aussehen, dass der Hund vorher angesprochen wird, bevor man ihn anfasst und dass Gewohnheiten verändert werden. Es wird darauf hingearbeitet, dass der Hund zum Beispiel nur noch in seinem eigenen Bett schläft und er dort auch in Ruhe gelassen wird, damit das Verhalten gar nicht erst gezeigt werden kann.
Dieses Bellen hat dann natürlich nichts mit Aggressionsverhalten zu tun, denn es hat nicht die Funktion eine Ressource zu schützen oder sich gegen eine Bedrohung zu wehren. Das Verhalten wird nicht durch eine negative Emotion wie Angst angestoßen.
Ein Hund denkt mit und arbeitet mit, wenn er uns ein Verhalten anbietet, sich zum Beispiel ins Platz legt – ob wir dies schon als Manipulation ansehen und deklarieren, liegt bei uns. Ich selbst würde diesen Hund als kooperativ bezeichnen, da er mit dem Menschen interagieren möchte und er sich in diesem Moment auf den Menschen konzentriert. Ein Hund, der uns ein Verhalten wie im Platz liegen anbietet, wird im selben Augenblick nur sehr unwahrscheinlich ein augenscheinlich unerwünschtes Verhalten wie Hetzen von Fahrrädern zeigen.
Leckerlies als auch Aufmerksamkeit sind positive Konsequenzen, welche die Bezugsperson dem Hund zukommen lässt. Diese positiven Konsequenzen können Verhalten verstärken. Aggressionsverhalten kann aber nicht durch positive Konsequenzen wie Futter oder Aufmerksamkeit verstärkt werden, da die Grundlage von Aggressionsverhalten immer negative Emotionen wie Angst oder Wut sind. Konsequenzen, die der Hund als positiv und angenehm empfindet, können im Hund keine negativen Emotionen wie Angst oder Wut auslösen – im Gegenteil positive Konsequenzen können positive Emotionen erzeugen und damit negative Emotionen abschwächen.
Hunde haben andere und vor allem bessere Strategien, um auf sich aufmerksam zu machen. Aggressionsverhalten zu zeigen, gehört sicher nicht dazu. Wie schon im Absatz weiter oben beschrieben, agiert ein Hund, der aggressives Verhalten zeigt, auf Grundlage einer Emotion wie Angst oder Wut.
Ein Hund, der Aufmerksamkeit möchte, ist weder ängstlich noch wütend. Oder würden Sie, wenn Sie starke Angst empfinden, nur eine Sekunde darüber nachdenken, damit erwünschte Aufmerksamkeit zu erzielen? Der einzige Gedanke würde sich darum drehen, wie Sie sich aus der Situation entziehen können beziehungsweise Sie wären schon auf der Flucht – Ihrem Hund würde es dabei nicht anders gehen.
Wenn ich sehr wütend bin und aus meiner Haut fahre, weil mir zum Beispiel jemand Unrecht getan hat, motiviert mich nicht, dass ich dadurch Aufmerksamkeit bekomme, sondern ich reagiere emotional. Dies kann natürlich begünstigt werden, wenn ich sowieso schon einen sehr schlechten Tag hatte, sehr gestresst oder auch krank bin. Auch bei Hunden spielen solche Faktoren immer eine Rolle, da sie aggressives Verhalten wahrscheinlicher machen können.
Ein Hund nutzt Aggressionsverhalten nicht, um sich ein Leckerlie zu ergattern oder sich die Aufmerksamkeit seiner Bezugsperson zu verdienen. Auch versucht der Hund nicht seine Position in der Rangordnung zu stärken, da es wie oben beschrieben, diese in der Beziehung zwischen Mensch und Hund und unter Hunden nicht gibt.
Wenn wir die Funktion von Aggressionsverhalten verstehen, wird auch schnell klar, dass hinter diesen Annahmen keine Wahrheiten stecken.
Aggression gehört bei allen Lebewesen dazu und ist genetisch verankert, denn sie sichert als Verhaltensprogramm das Überleben des Lebewesens.
Sie kann auftreten, wenn sich ein Lebewesen entweder gegen eine Bedrohung wehrt oder wenn ein Lebewesen eine für ihn wichtige Ressourcen sichern möchte.
WIE ERKENNE ICH AGGRESSIVES VERHALTEN?
Körpersprache und Ausdrucksverhalten von Hunden lesen und einschätzen zu können, unterstützt unsere Entscheidungen und Reaktionen, damit Situationen nicht eskalieren und es nicht dazu kommt, dass ein Hund beißt.
Im Umgang, Leben und Training mit Hunden, die Aggressionsverhalten zeigen, ist nicht nur ein umsichtiges Management wichtig, sondern auch das frühzeitige Einschätzen des Hundes in bestimmten Situationen, sowie das Verständnis von Körpersprache – denn nur so können wir die Sicherheit von uns selbst, anderen Menschen und Tiere gewährleisten.
Körpersprache beobachten, beschreiben und interpretieren
Um Körpersprache angemessen interpretieren zu können, müssen wir diese immer erst beobachten. Ich persönlich empfehle, wie viele meiner Trainerkollegen auch, ganz bewusst, das, was man gehört und gesehen hat, zu beschreiben. Dieser Zwischenschritt hilft uns dabei, nicht vorschnell zu schlussfolgern.
Es bedeutet beispielsweise, dass wir nicht sofort sagen “Der Hund fixiert”, sondern möglichst genau beschreiben – wie zum Beispiel “Der Hund schaut einen anderen Hund für fünf Sekunden an und ich sehe im Augenumfeld keine Bewegung.”.
Im Ernstfall nimmt man sich dafür natürlich keine Zeit, aber um Körpersprache besser lesen zu lernen, ist es eine sehr gute und hilfreiche Übung.
Das objektive Beschreiben von Körpersprache hilft uns dabei unsere persönliche menschliche Brille, durch die wir alles sehen, zu erweitern.
Jeder Mensch nimmt Situationen und auch die Körpersprache seines Hundes durch seine individuelle, menschliche Brille wahr. Diese wird bestimmt durch die Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, durch Emotionen, die wir in den Situationen empfinden und auch durch unsere Meinung.
Da wir alles durch unsere menschlichen Sinnesorgane wahrnehmen und diese Informationen durch unser menschliches Gehirn verarbeitet werden, können wir unsere menschliche Brille nie komplett ablegen – aber wenn wir das Beschreiben gezielt üben, können wir den Einfluss unserer menschlichen Brille minimieren und unsere Wahrnehmung buchstäblich erweitern.
Erst dann sind wir in der Lage Körpersprache und Situationen angemessen zu interpretieren und uns auch mögliche Alternativen zu überlegen.
Was ist Körpersprache und welche Funktion hat sie?
Wenn wir Körpersprache von Hunden betrachten, sollten wir uns immer zwei Fragen stellen: Welche Funktion hat die Bewegung, die wir sehen und welche Emotion liegt dieser zu Grunde?
Knurrt ein Hund mich an, weil ich ihm einen Kauknochen wegnehmen will, hat das Knurren eine Funktion – der Hund möchte, dass ich die Distanz zu ihm vergrößere und ihm den Kauknochen nicht wegnehme.
Die emotionale Grundlage ist in diesem Fall entweder die Angst, den Kauknochen als für den Hund wichtige Ressource zu verlieren oder die Angst vor mir, da ich zum Beispiel aufgrund meiner Körpersprache auf den Hund bedrohlich wirke und er sich selbst schützen möchte. Oft ist es auch so, dass der Hund sowohl seine Ressource als auch sich selbst schützen möchte.
- Jegliche Beobachtungen und Einschätzungen müssen wir immer in Bezug auf die bestimmte Situation sehen, in der sich der Hund befindet.
Das Lesen von Körpersprache hilft uns dabei Entscheidungen zu treffen, angemessen zu reagieren und den Hund zu verstehen. Sie gibt uns Auskunft über aktuelles Befinden und den Zustand des Hundes. Gerade bei Aggressionsverhalten ist dies sehr wichtig, da wir nicht nur unseren Hund, sondern auch uns selbst, die Umwelt und andere Tiere schützen müssen.
Das Verständnis von Körpersprache hilft uns das Training anzupassen, über den Einsatz geeigneter Managementmaßnahmen (wie z.B. Maulkorb, Leine) nachzudenken und auch Problemen vorzubeugen.
Beginnt mein Hund in einer Trainingssituation massive Anzeichen für Stress zu zeigen, wie zum Beispiel angespannte Muskulatur im Augen- und Maulbereich, vermehrtes Speicheln, vergrößerte Pupillen, eine angespannte Zunge und so weiter, dann passe ich mein Training an und lasse das Training zum Beispiel mit Entspannung ausklingen, bevor der Hund ein Verhalten zeigt, welches ich mir nicht wünsche. Danach überlege ich, warum der Hund so gestresst war und wie ich mein Training in Zukunft besser gestalten kann, um ein gesundes Maß an Stress für den Hund möglich zu machen.
Leider sind unserer Wahrnehmung auch Grenzen gesetzt, manche kleine Bewegungen beispielsweise der Zunge sieht selbst der erfahrenste Trainer nicht und unter die Oberfläche des Körpers oder in das Hundegehirn können wir auch nicht sehen. Es ist möglich, dass Ihr Hund Angst empfindet, gestresst ist oder sich freut, obwohl davon noch nichts an der Körperoberfläche sichtbar ist.
Warnzeichen für aggressives Verhalten?
Normalerweise zeigt ein Hund bestimmte Signale mit Hilfe von Körpersprache, bevor er aggressiv reagiert – dennoch kann es sein, dass ein Hund gelernt hat, dass es sich nicht lohnt andere Signale wie zum Beispiel Knurren zu zeigen oder der Hund hat gelernt, dass es für ihn unangenehm wird, wenn er diese zeigt.
Wird einem Hund beispielsweise das Knurren verboten, könnte dieser Hund den für uns doch falschen Weg wählen und heftiger reagieren mit Abschnappen oder sogar Beißen, wenn er sich in einer für ihn ausweglosen Situation befindet.
Wir sollten deshalb die Signale unserer Hunde ernst nehmen und versuchen diese zu verstehen, denn dann können wir viel besser an Veränderungen arbeiten ohne wichtige Signale zu verbieten oder zu unterdrücken, die Beißvorfälle vermeiden sollen.
Die Auflistung der körpersprachlichen Signale folgt keiner starren Abfolge, sondern stellt in der Theorie die möglichen Stufen einer Entwicklung dar.
Konfliktsignale
Diese Signale zeigt ein Hund, wenn sich sein Gehirn in einem Konflikt befindet.
- Blinzeln
- Gähnen
- Züngeln
Ein Hund gähnt beispielsweise, wenn er körperlich erschöpft, geistig aber noch sehr erregt ist. Ein Hund gerät auch in einen Konflikt, wenn er beispielsweise das Signal “Sitz” ausführen soll, ihm aber dieser Vorgang Schmerzen bereitet.
Was wir am Hund wahrnehmen, müssen wir immer im Kontext der Situation beachten. Wenn wir Konfliktzeichen an unserem Hund sehen, sollten wir überlegen, was das für Ursachen haben könnte. Konfliktzeichen bedeuten immer, dass es im Hundegehirn arbeitet – aber wir Menschen wissen, dass sich so ein Konflikt nicht immer gut anfühlt und wenn in solchen Momenten der Hundehalter beispielsweise auf das “Sitz” besteht, kommt zudem ein großer sozialer Stressor für den Hund dazu.
Nicht jedes Züngeln ist ein Konfliktzeichen – Hunde züngeln auch, wenn sie Futter erwarten.
Distanzvergrößernde Bewegungen
Diese Bewegungen zeigt ein Hund, wenn er den Abstand zu einer Bedrohung oder einem Angstauslöser vergrößern möchte.
- Blick abwenden
- Kopf wegdrehen
- kompletten Körper wegdrehen
- Hinsetzen
- Vorderpfote anheben
Möchte sich der Hund, der Schmerzen hat, nicht auf das Signal hin setzen und der Hundehalter beginnt den Hund auszuschimpfen, was diesem Hund bedrohlich und unangenehm ist, dann besteht die Möglichkeit, dass dieser Hund darauf seinen Kopf vom Menschen abwendet.
Führen diese Distanzvergrößerungen nicht dazu, dass die Bedrohung aufhört, dann wird der Hund versuchen noch mehr Distanz zum Angstauslöser Mensch zu schaffen. Er zeigt dann verstärktes Meide- oder auch Fluchtverhalten. Es liegt dabei immer die Emotion Angst zu Grunde, welche das distanzvergrößernde Verhalten auslöst.
Bei dem braunen Labrador-Mix sieht man einige distanzvergrößernde Bewegungen: der Ohrenansatz geht zurück, der Körperschwerpunkt geht vom anderen Hund weg, der Rutenansatz ist unten und bedeckt die Analregion, der Rücken ist leicht gekrümmt. Außerdem sieht man einige Symptome für Stress: die Muskulatur am Kopf ist angespannt und die Haare am Rücken sind aufgestellt.
- Weggehen
- Ohren zurück nehmen
- tiefe Körperhaltung
- Rutenansatz unten, Ruten wird unter dem Bauch gehalten
- Rücken gekrümmt
- Liegen (Der Hund wird dabei vielleicht auch ein Bein anheben.)
Die Haltung von Rute oder Ohren muss natürlich im Bezug auf die Haltung dieser Körperteile im entspannten Zustand betrachtet werden, denn nicht jeder Hund sieht gleich aus.
Viele Hunde nehmen ihren Rutenansatz auch herunter, wenn sie konzentriert arbeiten (zum Beispiel beim Shaping oder bei Suchaufgaben) oder wenn sie fressen.
Beobachten Sie doch einfach einmal die nächsten sieben Tage Ihren Hund und notieren Sie seine Ohren- und Rutenhaltung in den verschiedensten Situationen, wie zum Beispiel beim Fressen, beim Suchen des Balls, bei der Begrüßung bekannter Personen, bei der Begrüßung von befreundeten Hunden, beim Schlafen und so weiter. So erhalten Sie nicht nur einen Überblick über die individuelle Körpersprache Ihre Hundes, sondern Sie schulen gleichzeitig Ihre Beobachtungsgabe.
Drohverhalten
Drohverhalten kann nach Angstverhalten folgen, wenn Meiden und Flüchten keinen Erfolg bringen, also die Bedrohung nicht schwächer wird.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass die distanzvergrößernde Bewegungen, die ein Hund zeigt, noch deutlicher werden – ob und wann ein individueller Hund zur Option des Drohverhalten greift, kann man im Vorfeld nicht genau sagen.
- Erstarren
- Harter Blick (Vergrößerung der Augen und Einfrieren des gesamten Gesichts)
- wenig Seitwärtsbewegung
- Knurren
- Schnappen
Generell gilt: Je weniger Bewegung im Hundekörper zu sehen ist, umso bedrohlicher ist die Situation.
- Aggressionsverhalten:
- Wenn das Drohverhalten seine Funktion nicht erfüllt und die Bedrohung nicht Abstand zum Hund nimmt, folgt:
- Beißen
Übersprungsverhalten
Ein kurzer Blick auf Übersprungsverhalten ist wichtig, da dies immer eine Antwort auf Stress oder Frustration ist. Stress und Frustration lassen das Erregungsniveau des Hundes ansteigen und begünstigen damit aggressives Verhalten.
Wenn ein Hund Übersprungsverhalten zeigt, wurden vorher kleinere Konfliktzeichen übersehen. Es kann uns einen Hinweis darauf geben, welche Situationen für den Hund schwierig sind, denn nur so können wir mit Training dem Hund und uns das Leben leichter machen und damit auch aggressivem Verhalten vorbeugen.
Übersprungsverhalten ist sehr vielfältig. Es können Verhaltensweisen aus dem Bereich der Nahrungsaufnahme oder der Körperpflege sein, wie zum Beispiel das Kratzen hinter dem Ohr oder das Aufnehmen von Nahrung oder Gegenständen.
Oft sind es auch Verhaltensweisen, bei denen sich der Hund viel bewegt, zum Beispiel Kreise rennt oder auch Jagdverhalten zeigt. Es ist also auch von großer Bedeutung, dass wir Verhalten im Kontext betrachten und uns die Frage stellen, ob der Hund vorher schon Konflikt- oder auch Stresssignale gezeigt hat.
- Stresssymptome und Stress beim Hund zu erkennen ist sehr wichtig, da man Anzeichen für Stress bei ängstlichen und auch aggressiven Hunden sieht. Außerdem zeigt ein gestresster Hund schneller Aggressionsverhalten. Lesen Sie mehr zum Thema Stress in meinem nächsten Artikel.
Bevor ein Hund aggressiv reagiert, zeigt er im besten Fall andere Signale, die uns darauf hinweisen können, dass die Möglichkeit einer Eskalation droht.
Leider besteht immer die Gefahr, dass ein Hund zum Beispiel kein Knurren zeigt, wenn es ihm verboten wurde oder die Bedrohung zu groß ist.
Mit geeignetem Training haben wir es in der Hand, Strategien des Hundes fernab von Aggressionsverhalten zu verstärken und funktional zu machen und wir können mit dem Wissen um die Feinheiten in der Körpersprache von Beginn an aggressives Verhalten verhindern.
KANN MAN AGGRESSIVES VERHALTEN DURCH BELOHNUNG UND ZUWENDUNG VERSTÄRKEN?
Die Sache mit den funktionalen Verstärkern
Den Ratschlag einen Hund, der Angstverhalten zeigt, zu ignorieren, hat jeder Hundehalter schon einmal gehört. Dies bedeutet seinen Hund weder anzusehen, anzusprechen, anzufassen oder zu füttern. Bei Aggressionsverhalten hört man diesen Ratschlag nur selten – aber dennoch ist die Angst des Hundehalters groß, das sogenannte unerwünschte Verhalten des Hundes zu verstärken.
Zu Beginn sollte in der Theorie eine emotionale und eine Verhaltensebene unterschieden werden. Dies ist sehr wichtig, um zu verstehen, wie Angst- und auch Aggressionsverhalten verändert werden kann. In der Praxis ist es dennoch nie möglich Emotionen und Verhalten zu trennen, denn Emotionen spielen immer einer Rolle bei der Entstehung und auch der Veränderung von Verhalten und wir können Emotionen niemals außen vor lassen.
Die wichtigste Emotion im Zusammenhang mit Aggressionsverhalten ist Angst – entweder die Angst des Hundes eine für ihn wichtige Ressource zu verlieren oder die Angst, dass die eigene Sicherheit oder gar das eigene Leben bedroht ist. Die Emotion Angst gehört zu den ältesten Emotionen, da sich Lebewesen dank dieser Emotion besser an ihre Umwelt anpassen, frühzeitig Gefahren erkennen und mit einem passenden Verhalten reagieren können. Auch die Emotionen Wut und Frustration können aggressives Verhalten auslösen.
Die Emotion stößt ein Verhalten an und macht dieses wahrscheinlicher.
Es ist mittlerweile erwiesen, wie Emotionen verstärkt oder abgeschwächt werden können.
Eine negative Emotion wie Angst, Wut oder Frustration wird verstärkt, wenn eine weitere negative Emotion hinzukommt.
Empfindet ein Hund Angst vor einer Mülltonne und seine Bezugsperson möchte nicht, dass der Hund an der Leine zieht und beugt sich deshalb über den Hund, um mit diesem zu schimpfen, kann das die Angst des Hundes verstärken, wenn die Körpersprache und die laute Stimme des Menschen zusätzlich in dieser Situation auf den Hund bedrohlich wirken. Zu der Angst vor der Mülltonne kommt in der Situation noch eine zusätzliche Bedrohung durch die Bezugsperson hinzu.
Kommt zu der negativen Emotion Angst, Wut oder Frustration eine positive Emotion wie Freude hinzu, kann die negative Emotion abgeschwächt werden.
Wenn sich ein Hund vor einer Mülltonne fürchtet und der Hundehalter streichelt seinen Hund an einer Stelle am Körper, an welcher dieser gern angefasst wird. Fühlt der Hund sich durch diese Zuwendung besser, kann die negative Emotion Angst abgeschwächt werden. Auch wir Menschen fühlen uns besser, wenn uns jemand Geborgenheit schenkt, wenn wir Angst haben – sofern uns dies angenehm ist. Kurz gesagt, es sollte von der Bezugsperson etwas folgen, was dem Hund angenehm ist und seine Gefühlslage verbessert.
Auf der anderen Seite kann auch eine positive Emotion durch eine negative Emotion abgeschwächt werden. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass nicht der Hundehalter darüber entscheidet, was für einen Hund angenehm oder unangenehm ist. Dies entscheidet immer der Hund und dies wird durch seine Gefühlslage bestimmt. Möchte man aggressives Verhalten ändern, muss auch immer auf der emotionalen Ebene gearbeitet werden. Können wir die Emotion Angst oder Wut abschwächen oder komplett verändern, wird der Hund das aggressive Verhalten nicht mehr zeigen, denn dazu gibt es dann keinen Grund mehr.
Wenn der Hund keine Angst mehr gegenüber einer Mülltonne empfindet, sondern sich sogar darüber freut, dass wieder eine Mülltonne am Straßenrand steht, weil etwas Positives passiert, wenn die Mülltonne da ist, wird er auf keinen Fall aggressives Verhalten zeigen, sondern ohne Angst auf die Mülltonne zugehen.
Aggressive Verhaltensweisen haben eine Funktion, wenn ihnen die Emotionen Angst oder Wut zu Grunde liegen: die Bedrohung vertreiben und damit Abstand zwischen Hund und Auslöser aufbauen.
Die passende Belohnung für erwünschtes Verhalten, zum Beispiel das ruhige Ansehen eines Auslösers, wäre im besten Fall das Verschwinden dieses Auslösers.
Dies ist leider nicht immer umsetzbar, da man die Umwelt nur schlecht kontrollieren kann. Ein Trainingspartner kann hier wertvolle Unterstützung leisten.
Das Ziel im Training sollte deshalb sein, dass man nicht nur die Emotionen des Hundes gegenüber den Auslösern verändert, sondern dem Hund auch Alternativen an die Hand gibt, die er zeigen kann und bei denen der Hund die Erfahrung macht, dass er selbst Distanz zum Auslöser aufbauen kann.
Im Training sollte an der emotionalen Ebene gearbeitet werden, zum Beispiel in dem immer etwas sehr Schönes für den Hund passiert, wenn die Auslöser für Aggressionsverhalten auftauchen. Verändern wir die Emotionen des Hundes fällt diesem eine Verhaltensänderung viel leichter.
Außerdem sollten wir ein alternatives Verhalten trainieren, wie zum Beispiel Distanz zum Auslöser aufbauen, was der Hund nutzen kann statt aggressives Verhalten zu zeigen. Dies ist sehr wichtig, denn die Emotionen wie Angst, Wut oder Frustration können wir bei Hunden nicht ganz abstellen oder durch Training verändern, aber wir können dem Hund eine Alternative zeigen, die sich für ihn lohnt und die er in solchen Momenten anwenden kann.
Einen Einblick in die Arbeit an aggressiven Verhaltenweisen gibt der Artikel von Eva Zaugg.
Das Markersignal vereint Emotionen und Verhalten
Eine Brücke zwischen der emotionalen und der Verhaltensebene kann das positive Markersignal schlagen.
Auf der emotionalen Ebene löst das positive Markersignal gute Emotionen aus, da es mit Bedürfnisbefriedigung und mit angenehmen Belohnungen seitens der Bezugsperson verknüpft ist. Es verstärkt damit niemals die Emotionen Angst oder Wut, sondern kann die Gefühlslage des Hundes in der Situation verbessern.
Auf der Verhaltensebene können wir damit Verhalten einfangen und dem Hund verdeutlichen, für welches Verhalten er eine Belohnung von uns bekommt.
Die Arbeit mit einem positiven Markersignal kann einen großen Teil dazu beitragen sogenanntem Problemverhalten vorzubeugen, da der Hund ganz nebenbei mit seinen Signalen, seiner Umwelt und seiner Bezugsperson positive Emotionen verknüpft.
Die Arbeit über positive Verstärkung und der Einsatz eines positiven Markersignals können Emotionen wie Angst, Wut oder Frustration nicht verschlimmern, sondern die emotionale Lage des Hundes verbessern. Negative Emotionen wie Angst, Wut oder Frustration können nicht verstärkt werden, wenn wir gute Emotionen im Hund auslösen. Es ist wichtig, jeden Trainingsschritt und alle Konsequenzen im Training auf der emotionalen und der Verhaltensebene zu durchleuchten, um effektiv an einer Verhaltensänderung zu arbeiten und Angst- und Aggressionsverhalten vorzubeugen.