Social Support: Warum Sie für Ihren Hund da sein sollten, wenn er Angst hat und was es dabei zu beachten gibt
Töpfe scheppern in der Küche, es gewittert draußen oder das jährliche Silvesterfeuerwerk knallt durch die Lüfte und unser Hund flieht hilfesuchend zwischen unsere Beine. Immer wieder stellen sich Hundehalter die Frage: Darf ich meinen Hund trösten und beruhigen? Oder verstärke ich damit nur seine Angst?

Bilder: Yasemin Ikibas (YIART Hundefotografie)
WAS IST ANGST?
Angst ist eine negative Emotion, die es dem Körper ermöglicht sich blitzschnell an gefährliche Situationen anzupassen und entsprechend zu reagieren. Die Bewertung ob eine Situation gefährlich sein könnte oder nicht, findet in der Amygdala (Mandelkern), einem Teil des limbischen Systems statt. Dieser Teil des Gehirns ist für die Entstehung, Verarbeitung und Wiedererkennung von Emotionen zuständig.
Wenn die Amygdala einen Reiz als gefährlich einstuft, werden Stresshormone ausgestoßen und eine Angstreaktion ausgelöst, es kommt zu vielen physiologischen Reaktionen im Körper:
- Herzrasen
- Steigender Blutdruck
- Erhöhte Atemfrequenz / Hecheln
- Erhöhter Muskeltonus
- Erweiterte Pupillen
- Veränderung des Speichelflusses
- Verlangsamte Verdauung
- Schwitzen über die Pfotenballen
- Urinieren und Koten
- Evtl. Aufgerichtete Nackenhaare
Die Bewertung der Amygdala ist recht ungenau und nicht bewusst beeinflussbar – wird aber extrem schnell gelernt, denn im Zweifel ist es überlebenswichtig lieber einmal zu viel zu reagieren, als einmal zu wenig.
Es ist also durchaus normal und auch generell erst einmal angebracht, dass unsere Hunde Angst empfinden. Wir sollten ihnen aber helfen, mit dieser Angst umzugehen oder sie gar zu überwinden.
EMOTIONEN: VERSTÄRKUNG UND STRAFE
Alle unsere Reaktionen auf das Verhalten unserer Hunde, haben in der Regel eine emotionale Folge beim Hund:
- Hinzufügen von etwas Positivem = Freude (Verstärkung)
- Hinzufügen von etwas Negativem = Angst (Strafe)
- Entfernen von etwas Negativem = Erleichterung (Verstärkung)
- Entfernen von etwas Positivem = Frustration, Traurigkeit (Strafe)
Achtung: Was von unseren Hunden positiv und was negativ aufgenommen wird, ist abhängig vom Individuum und dessen Tagesform. Nicht alles, was aus unserer Sicht positiv gemeint ist, wird von unseren Hunden ebenso aufgefasst. Hier ist es wichtig genau hinzusehen, das eigene Verhalten zu reflektieren und entsprechend anzupassen.
Das heißt:
Positive Emotionen können verstärkt werden, wenn noch etwas Positives hinzugefügt wird.
Beispiel: Sie freuen sich, dass so viele gute Freunde Ihrer Einladung zum Geburtstag gefolgt sind. Auf einmal kommt noch ein Überraschungsgast, den Sie lange nicht gesehen haben = Ihre Freude wird noch größer, die Emotion noch positiver.
Positive Emotionen können abgeschwächt werden, wenn etwas Negatives hinzugefügt wird.
Beispiel: Sie freuen sich, dass so viele gute Freunde Ihrer Einladung zum Geburtstag gefolgt sind. Auf einmal erhalten Sie eine schlechte Nachricht = Ihre vorherige Freude wird getrübt, abgeschwächt oder gehemmt.
Negative Emotionen können verstärkt werden, indem noch mehr Negatives hinzugefügt wird.
Beispiel: Sie haben ein unangenehmes Gespräch mit Ihrem Chef gehabt. Danach fahren Sie in der Tiefgarage eine Delle in Ihr Auto = Ihre negativen Emotionen verstärken sich. Ihre Laune sinkt. Sie fühlen sich vielleicht frustriert, wütend oder ärgerlich.
Negative Emotionen können abgeschwächt werden, indem etwas Positives hinzugefügt wird.
Beispiel: Sie hatten ein unangenehmes Gespräch mit Ihrem Chef. Danach fahren Sie nach Hause. Ihr Partner überrascht Sie mit einem liebevoll zubereiteten Abendessen = Sie fühlen sich schon etwas besser, erleichtert, geborgen und verwöhnt – die negativen Emotionen werden abgeschwächt.
Übertragen auf unser Beispiel heißt das:
Wenn wir unserem Hund in einer angstauslösenden Situation etwas Gutes tun, für ihn da sind und ihm durch körperliche Nähe durch die Situation helfen, verbessert das im besten Falle seine Gefühlslage und wir geben ihm Halt und Sicherheit. Eine negative Emotion kann aber durch das Hinzufügen von Positivem nicht verstärkt werden!
Wenn es knallt und unser Hund erschrocken Schutz bei uns sucht, wird es seine Angst nicht vergrößern, wenn er entspannend und beruhigend berührt wird oder einen gefüllten Kong zum Schlecken bekommt.
Sucht Ihr Hund nun Schutz und Beistand bei Ihnen, seinem engen Vertrauten und Freund, sollte dieser auf gar keinen Fall verwehrt werden, es würde zu einem hohen Vertrauensverlust kommen! Körperliche Zuwendung eines Bindungspartners führt zu Oxytocin-Ausschüttung (das “Bindungs-” oder “Kuschelhormon”). Und Oxytocin bewirkt als Gegenspieler zum Stresshormon Cortisol dessen Senkung. Das alles führt zur Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Der Hund entspannt langsam, kann wieder „klarer“ denken und die Situation wieder als bewältigbar einstufen.
Social Support (soziale Unterstützung), nennt man dieses hochsoziale Verhalten, wenn Bindungspartner sich in stressenden und/oder ängstigenden Situationen durch körperliche Nähe beistehen. Beobachten kann man Social Support bei verschiedensten Tierarten, die in Gruppen leben, u. a. bei Hunden, Wölfen, Pferden und allen voran auch beim Menschen. Hunde beispielsweise suchen besonders intensiv die Nähe zu kranken oder verletzten Familienmitgliedern (das können sowohl Hunde, als auch Menschen sein) liegen viel auf Kontakt und weichen teilweise kaum noch von der Seite.
LÖST DIE MEHRHUNDEHALTUNG ALLE PROBLEME?
Auch Hunde in einem Mehrhundehaushalt können sich gegenseitig unterstützen. Getreu dem Motto „Zusammen ist man weniger allein“ können sie sich auch Sicherheit geben, wenn die Halter nicht im Haus sind. Wichtig ist aber, dass man auf keinen Fall davon ausgeht, dass ein zusätzlicher Hund die Angstprobleme des vorhandenen Hundes lösen wird. Er kann lediglich, eine sehr gute Bindung zwischen den Tieren vorausgesetzt, unterstützen. Trotzdem ist in akuten Angstsituationen (Silvester, Feuerwerk etc.) Social Support seitens der menschlichen Bezugspersonen notwendig.
ACHTUNG!
Es gibt zwei Dinge, auf die Sie achten sollten:
1. Sie sollten genau beobachten, ob gut gemeinte Taten auch tatsächlich positiv vom Hund empfunden werden. Deshalb sollten Sie das Ausdrucksverhalten Ihres Hundes bereits gut kennen. Wenn Sie in einer angstauslösenden Situation für den Hund noch ein negatives Gefühl oben drauf packen (wenn auch unabsichtlich) wird er die Situation noch schlimmer bewerten.
Beispiel: Wenn Ihr Hund sich, wie die meisten Hunde, unwohl dabei fühlt, wenn Sie sich über ihn beugen und von oben über seinen Kopf streicheln, dann sollten Sie das auch nicht in einer sowieso schon für ihn bedrohlichen Situation machen. Versuchen Sie stattdessen sich neben ihn zu setzen und seine Schulter zu kraulen.
2. Wenn Sie selbst in Panik verfallen würden, könnte sich Ihre Stimmung zusätzlich auf den Hund übertragen. Die oben genannten Strategiemöglichkeiten setzen voraus, dass Sie selbst gelassen bleiben und dadurch Ihrem Hund Ruhe und Gelassenheit vermitteln können.
Beispiel: Sie sitzen ruhig neben Ihrem Hund, kraulen ihn langsam und beruhigend oder üben, ähnlich einem Thundershirt, einen leichten Druck auf seinen Körper aus und reden ihm ruhig und entspannt gut zu.
Wenn Ihr Hund also beim Tierarzt aus Angst seinen ganzen Körper gegen Ihren drückt oder Ihnen bei Donner und Feuerwerksknallen auf den Schoß springt oder sich zwischen Ihre Beine drückt: Seien Sie für ihn da! Geben Sie ihm den nötigen Körperkontakt, achten Sie darauf, was ihm gut tut und was nicht und zeigen Sie ihm, dass sie ein verlässlicher Partner und Freund sind!

Bild: Pixabay
Einen Vertrauten im Rücken zu wissen, kann dazu führen, dass die Angst beim nächsten Mal gar nicht erst oder nicht so stark wieder aufkommt. In jedem Fall aber gewinnt Ihr Hund das Vertrauen, dass er diese schwierige Situation nicht alleine durchstehen muss!