Der “Will to please” beim Hund – Was hat es damit auf sich?
Hunde, denen gemäß ihrer Rassebeschreibung ein ausgeprägter “Will to please” zugeschrieben wird, gelten als leicht zu erziehen, gelehrig, anhänglich und arbeitsfreudig. Ihnen wird nachgesagt, dass sie ihren Menschen sehr nahe stehen und diesen auch “die Führung überlassen” sowie stets bemüht sind, den Wünschen ihrer Menschen Folge zu leisten. Soweit ich weiß, gibt es keine einheitliche Definition.
Ich glaube, dass manche Beschreibungen des “Will to please” falsche Erwartungen an die Hunde wecken können, deshalb möchte ich in diesem Artikel einige Informationen einordnen.

Der Sheltie gilt als ein leicht erziehbarer, unkomplizierter Familienhund. (Bilder: Pixabay)
In diversen Rassebeschreibungen werden zumeist Hüte- und Treibhunde mit dieser Eigenschaft in Verbindung gebracht, aber auch Retriever, (andere) Gebrauchshunde und Gesellschaftshunde finden sich unter den häufig genannten Hunderassen:
- Border Collie
- (Miniature) Australian Shepherd (Aussie)
- Deutscher/Weißer/Belgischer Schäferhund
- Australian Kelpie
- Australian Cattle Dog
- Shetland Sheepdog (Sheltie)
- Golden Retriever
- Labrador Retriever
- Dobermann
- Bichon Frisé
- Havaneser, Bologneser, Malteser
- und viele mehr
“Will to please“ bedeutet – frei übersetzt – “Wille zu Gefallen”.
Wörtlich genommen könnte man meinen, Hunde mit “Will to please“ sorgen aktiv dafür, alles, in unseren Augen, “richtig zu machen” und uns unsere Wünsche von den Lippen abzulesen.
IST ES NICHT VIELMEHR DIE HOHE BEREITSCHAFT, VIELLEICHT SOGAR EINE INTRINSISCHE MOTIVATION (= AUS EIGENEM ANTRIEB HERAUS), MIT DEM MENSCHEN ZU KOOPERIEREN?
All diese Hunde haben etwas gemeinsam: Sie wurden ursprünglich dazu gezüchtet, eng (und in Abstimmung) mit dem Menschen zusammenzuarbeiten und teilweise viel Zeit mit dem Menschen zu verbringen. Hüte- und Treibhunde halten mit dem Schäfer die Herde zusammen, bringen sie auf andere Weideflächen oder selektieren sogar einzelne Tiere aus der Herde. Retriever bringen dem Jäger geschossene Enten, ohne sie alleine am Ufer zu verspeisen und Gesellschaftshunde sind, wie der Name schon sagt, hauptsächlich dazu gezüchtet dem Menschen Gesellschaft zu leisten. Letzteres zeigt ganz gut, dass es beim “Will to please” nicht um erhöhten Arbeitseifer geht, womit es auch häufig gleichgesetzt wird. Die (zumindest ursprünglichen) Arbeitshunde mit ausgeprägtem “Will to please“ kommen aber in der Regel aus Jobs, die ein hohes Maß an Kooperation mit dem Menschen erfordern.
Gegensätzlich dazu sind die selbstständig arbeitenden Hunderassen, wie bspw. Herdenschutzhunde, Dackel oder Terrier eher nicht für einen ausgeprägten “Will to please“ bekannt. Sie arbeiten auch für den Menschen, aber eben sehr viel selbstständiger, treffen mehr eigene Entscheidungen und neigen vielleicht eher mal zum Hinterfragen der Notwendigkeit gewisser Aufgaben.
FREUDE AN DER ZUSAMMENARBEIT
Ich denke, man kann also durchaus sagen, dass Hunde mit “Will to please“ Freude an der Zusammenarbeit mit dem Menschen haben und sie dadurch sehr gut motivierbar, auch für ihnen weniger nahe liegende Aufgaben sind.
Bei komplexen und schwierigen Aufgaben wenden sich Hunde mit “Will to please“ unter Umständen häufiger an ihre Bezugsperson. Wo ein Terrier möglicherweise ausdauernd versucht alleine ans Ziel zu kommen, suchen Hunde mit ausgeprägtem “Will to please“ oft schneller den Blickkontakt zum Menschen oder versuchen durch Bellen darauf aufmerksam zu machen, dass sie Hilfe benötigen.
Aber, auch wenn der Gedanke schmeichelt: Das heißt nicht, dass diese Hunde alles nur aus Liebe zu ihrem Menschen und für dessen Zuneigung tun.
Viele Aufgaben (z. B. das Hüten bei Border Collies oder Apportieren bei Retrievern) sorgen einfach durch die Ausschüttung von Dopamin für einen hohen Selbstbelohnungseffekt und damit wiederum zu freudiger Erwartungshaltung, wenn es wieder “an die Arbeit” (oder auf den “Hundeplatz”) geht. Das muss erstmal nicht unbedingt etwas mit dem Menschen zu tun haben. Auch wenn sich positive Erlebnisse mit dem Menschen, Zuwendung und verbales Lob sicherlich zusätzlich belohnend auswirken. Trotzdem ist das alles immer für jeden Hund, in jeder Situation, individuell zu bewerten.
KANN MAN DANN AUF WEITERE BELOHNUNGEN VERZICHTEN?
“Der will mir ja gefallen – es ist Belohnung genug, mit mir etwas zusammen zu tun.”
Die Motivation des Hundes, mit dem Menschen zusammen zu arbeiten sollte jedoch kein Freifahrtschein sein und als Selbstverständlichkeit hingenommen werden. Denn auch das hängt am Ende mit den individuellen Lernerfahrungen jedes einzelnen Hundes zusammen. Vor allem für Aufgaben, die nicht dem Naturell des Hundes entsprechen oder mit starken Emotionen verbunden sind, ist es neben der geübten Trainingstechnik besonders wichtig, passende Verstärker auszumachen. Sonst kann es schnell passieren, dass andere Dinge viel spannender werden, als Herrchen/Frauchen.
Es lohnt sich aber fast immer zusätzlich über verbale Hilfen und Stimmungsübertragung zu arbeiten. Seinen Hund für schwierige Situationen zu “feiern” halte ich grundsätzlich für eine gute Idee (auch bei Terriern ;)).

Ein zugeschriebener “Will to please” ersetzt keinesfalls Training und einen vorausschauenden, bedürfnisorientierten und achtsamen Umgang mit dem Hund.
SIND HUNDE MIT “WILL TO PLEASE“ BESONDERS LEICHT ZU ERZIEHEN?
“Besonders gelehrig, nah am Menschen und damit leicht zu erziehen.” So lautet eine häufige Schlussfolgerung.
Halten wir mal die Lupe drauf:
Wenn man “leicht zu erziehen” gleichsetzt mit “gut trainierbar”, dann ist das sicherlich richtig. Dadurch, dass diese Hunde viel Eigenmotivation mitbringen und begeistert Zeit mit ihrem Menschen verbringen, sind sie gut trainierbar. Aber: das heißt noch lange nicht, dass alles easy klappt! Bei der Formulierung “leicht zu erziehen” schwingt für mich mit, dass man als Halter:in wenig falsch machen kann und auch >schnell und einfach< zum Erfolg kommt. Und das muss definitiv nicht der Fall sein, nur weil der Hund begeistert mitmacht. Dazu gehört noch so viel mehr: Gerade unvorhergesehene Ereignisse im Alltag oder mangelndes Wissen über Hundeverhalten, Körpersprache, Lerntheorie und wie man sich diese zu Nutze machen kann, führen manchmal ungewollt zu ungünstigen Lernergebnissen – auf den “Will to please“ sollte man sich dabei besser nicht verlassen. Denn was man immer mitbedenken sollte: Wer schnell und einfach lernt, lernt auch schnell und einfach unerwünschtes Verhalten. Es kann die Sache also sogar erschweren.
Deshalb ist es wichtig, dass man sich als Halter:in Wissen aneignet und bei Problemen frühzeitig eine:n Hundetrainer:in oder -verhaltensberater:in zur Unterstützung aufsucht.
VERANTWORTUNG DER BEZUGSPERSONEN
Eines solltest du dir aber mit einem solchen Hund bewusst machen:
Mit dem richtigen Training sind diese Hunde oft bereit Dinge auszuführen, die ggf. Grenzen überschreiten und gegen ihre Bedürfnisse gehen. Wir laufen also Gefahr, viel mehr als für den Alltag und unser aller Wohlbefinden notwendig wäre, zu trainieren und den Hund damit indirekt (wenn auch mittels positiver Verstärkung) zu manipulieren und regelrecht “zurechtzubiegen”.
Es ist eine große Verantwortung, diesen Hunden genug Raum für echte Selbstwirksamkeit und Bedürfnisbefriedigung nach Hundeart einzuräumen. Hierfür ist es insbesondere wichtig, Eigeninteressen und auch Unabhängigkeit vom Menschen zu fördern und ihnen zu vermitteln, dass es nicht notwendig ist, immer “auf Empfang” sein zu müssen. Denn ständige Bereitschaft geht immer mit einer erhöhten Erregung einher, führt zu Schlafmangel und Dauerstress und kann zu teils massiven Verhaltensproblemen führen. Das ist nicht nur psychisch belastend für den Hund, sondern kann auch auf vielfältige Art und Weise krank machen.
FAZIT:
Hunde mit “Will to please“ stehen Menschen nahe und arbeiten gerne mit ihnen zusammen – sind aber keine Selbstläufer. Für ein harmonisches, erfülltes Zusammenleben ist wie bei jedem anderen Hund ein großes Maß an Wissen über Hunde(-verhalten), Lerntheorien, Trainingstechniken, bedürfnisorientierten Umgang usw. erforderlich.
Am Ende sollte man meiner Meinung nach schauen, dass man unter dem Etikett “Will to please“ nicht zu viel voraussetzt oder verlangt. Im Grunde kann man es auch ersatzlos aus den vielen Rassebeschreibungen streichen. Es ist immer eine gute Idee, auf jeden Hund und jede Situation ganz individuell zu schauen und seinen Hund auch mal Hund sein zu lassen.