Positives Hundetraining, nur Leckerchen sind nicht genug!
POSITIVES HUNDETRAINING – WAS IST DAS?
Das Angebot und die Arbeitsweise im Hundetraining haben sich verändert.
Zwischen traditionell arbeitende Hundeschulen mischen sich immer mehr Trainer, die Ihr Training hauptsächlich auf Basis der Positiven Verstärkung anleiten. Aber was heißt das eigentlich genau? Wie sieht ein solches Training aus? Wird darauf verzichtet Grenzen zu setzen? Viele Fragen, die ich in diesem Artikel versuche zu beantworten.
Im Hundetraining geht es unter anderem um die Modellierung von Hundeverhalten innerhalb eines gegebenen Rahmens. Das heißt wir wollen das Verhalten unserer Hunde stabilisieren oder verändern – öfter sehen, weniger oft sehen. An dieser Stelle kommt die Frage nach dem “Wie” auf. Wie verändert man Verhalten langfristig und nachhaltig mit Freude und Spaß?
POSITIVE VERSTÄRKUNG
Damit ein Hund ein bestimmtes Verhalten zuverlässig und öfter zeigt, werden Trainingstechniken auf Basis der Positiven Verstärkung eingesetzt.
Ihr Hund erhält hierbei für Dinge, die er gut macht ein positives Feedback. Sie fügen einen angenehmen Reiz hinzu, um das gezeigte Verhalten des Hundes zu belohnen.
Sie fragen sich vielleicht, wie das funktionieren soll, wenn es um Verhaltensweisen geht, welche Sie verändern möchten? Auch hier kann Training über positive Verstärkung hilfreich sein. Jeder Hund zeigt, bevor er unerwünschtes Verhalten zeigt, erwünschtes Verhalten. Dieses erwünschte Verhalten können Sie verstärken. Richtig angewandt lohnt sich das erwünschte Verhalten für den Hund mehr als das unerwünschte. Er wird das unerwünschte Verhalten nicht mehr oder kaum noch zeigen. Was Belohnungen sein können erkläre ich im weiteren Verlauf.
MARKERSIGNAL
Hunde sprechen eine andere Sprache als wir Menschen es tun. Um dennoch gut miteinander kommunizieren zu können, ist es wichtig fest definierte Signale zu etablieren. Signale, deren Bedeutung völlig klar und kalkulierbar ist.
Das Markersignal markiert eine bestimmte Verhaltenssequenz des Hundes und kündigt eine angenehme Folge für den Hund an. Das heißt es kann zum Kooperationssignal für den Hund werden und kündigt ihm – je nachdem wie es eingesetzt wird – an, dass nun eine positive Interaktion von seinem Menschen ausgeht.
Ein Markersignal kann ein Geräusch sein, welches sehr kurz ist und im normalen Sprachgebrauch nicht vorkommt (yipp, top, flip, klick, …). Ebenso kann auch der Klicker, ein Pfiff, eine Berührung oder eine Geste (Daumen hoch, Klatschen, …) als Markersignal aufgebaut werden.
Das Schöne daran ist: Sie können dem Hund unabhängig von seiner Orientierung bzw. Blickrichtung ein Zeichen geben, welches ihm vermittelt „Jetzt folgt etwas Tolles für dich!“. Da der Hund, wie wir auch, natürlich bestrebt ist, so oft wie möglich gute Dinge zu erhalten, wird er das markierte Verhalten (z.B. Sitzen auf Signal) öfter zeigen, um einen Klick und eine Belohnung zu erhalten. Hier wäscht die eine Hand also die andere. Eine win-win-Situation!
Noch dazu bekommen Sie meist eine Umorientierung des Hundes gratis dazu. Der Hund erwartet eine Belohnung, welche von Ihnen ausgeht (auch das Schicken zur Suche u.ä. geht zunächst von Ihnen aus) und orientiert sich in vielen Fällen zu Ihnen um.
BELOHNUNGEN – INDIVIDUALIST HUND
Hunde sind Individualisten. Jeder Hund hat neben seinen Grundbedürfnissen auch eine Vielzahl an Individualbedürfnissen. Der eine Hund findet es beispielsweise richtig toll, wenn man sein Bällchen in hohem Bogen über die Wiese wirft und er dies jagen, packen und bringen kann. Der andere Hund jedoch findet es eher mittelmäßig, dem geworfenen Ball hinterher zu laufen. Im Gegensatz dazu ist der Hauptgewinn für ihn ein mit Leberwurst gefüllter Kong. Für den Bälle liebenden Hund ist das vielleicht kein Vergnügen.
Bedürfnisse sind sehr individuell. Um sie zielführend einsetzen zu können, ist es wichtig sich der Bedürfnisse seines Hundes bewusst zu sein. DENN: positive Verstärkung funktioniert ausschließlich dann, wenn Sie eine Belohnung finden, die Ihr Hund tatsächlich auch als solche empfindet. In diesem Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie das trainierte Verhalten verstärken und es zukünftig öfter sehen.
Nicht zu vergessen sind hier auch die Grundbedürfnisse eines jeden Hundes wie zum Beispiel körperliche Unversehrtheit und Sicherheit bei Angstproblematiken.
DIE GRETCHENFRAGE – MUSS ICH MIT FUTTER BELOHNEN?
Nein, müssen Sie nicht! Jedoch gestalten sich, sofern Ihr Hund gern Futter annimmt, das Training oft deutlich einfacher, wenn Sie die Ressource Futter in Ihr Belohnungsrepertoire aufnehmen. Am einfachsten für Sie als Hundehalter und Trainer für Ihren Hund ist es, Dinge für Ihren Hund bereit zu halten, die eine große Belohnungswirkung haben. Oft ist die Futtergabe im Training verbunden mit der Angst, das Aufnehmen und explizite Suchen nach Futter beim Hund zu fördern. Hier kann ich Sie beruhigen – dem ist nicht so. Der Wunsch Futter zu suchen, zu finden und folglich auch zu fressen ist angeboren. Existenziell. Werden Sie doch einfach ein Teil der Bedürfnisbefriedigung Ihres Hundes, indem Sie ihm die Ressource Futter in den unterschiedlichsten Formen zur Verfügung stellen. Sie können das Futter Ihres Hundes zum Beispiel verstecken und es ihn zur Belohnung für ein gut gezeigtes Verhalten suchen, finden und fressen lassen. Mit Futter haben Sie meist einen Trumpf in der Tasche und zahlreiche Möglichkeiten der Belohnung tun sich auf. So lässt sich Futter zum Beispiel ebenso gut in einem Futterbeutel an einen Ast hängen…
Das Thema mit dem unkontrollierten Aufnehmen von Futter, welches Ihr Hund unterwegs findet, lösen Sie mit einem positiv aufgebauten Antigiftködertraining und verschiedenen Ritualen oder z.B. Freigabesignalen.
HUNDLICHE BEDÜRFNISSE
Ebenso zum positiven Hundetraining gehört natürlich auch das Zulassen hundlicher Bedürfnisse. Kaum etwas empfinde ich persönlich schlimmer, als wenn Menschen zu mir kommen, die Ihrem Hund nahezu jedes hundliche Bedürfnis zu verbieten versuchen. Ein Hund ist ein Hund. Je weniger Restriktionen er erleben muss, desto größer wird sein Wohlbefinden sein. Natärlich ist es nun auch nicht Sinn der Sache seinen Hund schalten und walten zu lassen wie er gern möchte. Ein guter Kompromiss und vor allen Dingen ein waches Auge für die Dinge, die der Hund gern tut sind mir sehr wichtig.
Ihr Hund jagt sehr gern Rehe. Dieses Bedürfnis fällt in die Kategorie „leider nicht ausführbar“. Wenn man seinem Hund nun nicht erlaubt Rehe zu jagen, sollte man umso mehr bemüht sein, das Hetzbedürfnis anderweitig zu befreidigen. Eine Möglichkeit wäre es ihn kontrolliert einen Hasenfelldummy jagen zu lassen. Wälzt sich der Hund gern in Pferdeäpfeln und man fühlt sich nicht in der Lage dazu, seinen Hund dieses Bedürfnis ausleben zu lassen könnte man ein „Wälz“-Signal einführen und ihn sich an einer anderen interessanten Stelle wälzen lassen. Hundetraining sollte also ebenso die individuellen Bedürfnisse des Hundes beachten.
Warum? Zum einen, weil das Unterbinden von Bedürfnissen meist mit Verhaltensabbrüchen verbunden ist, welche ein Hund als massiv stressend empfinden kann. Zum anderen weil es in einer guten Partnerschaft immer darum gehen sollte den anderen Part glücklich zu machen und so viele konstruktive Mittelwege zu finden wie möglich.
GRENZEN SETZEN
Genau wie wir müssen auch Hunde Grenzen lernen und im Idealfall auch beachten. Dies ist für ein harmonisches Zusammenleben unerlässlich. Die Frage ist nur wie setzt man Grenzen positiv? Um das zu klären müssen Sie sich kurz vor Augen führen, wie ein Hund eigentlich handelt.
Am Beispiel „Hund soll nicht ins Kinderzimmer“
Der Hund läuft durch die Wohnung, kommt am Kinderzimmer vorbei, tapst hinein und zerpflückt Töchterchens neue Puppe.
Wie setzen Sie also die Grenze „Kinderzimmer ist tabu“? Am besten beginnen wir dort, wo der Hund noch das richtige Verhalten zeigt – „er befindet sich noch VOR dem Kinderzimmer“. Hierfür kassiert der Hund einen Klick (Markersignal) und eine Belohnung. Der Hund wird sich nach dem Fressen zu Ihnen orientieren bzw. kurz im Flur verweilen. Dies wird erneut mit dem Markersignal und einer Belohnung verstärkt.
Diesen Trainingsansatz nennt man Barrieretraining, denn mit relativ kleinem Trainingsaufwand erreichen Sie hierbei, dass der Hund den Bereich außerhalb des Kinderzimmers als sehr lohnend empfindet. Bieten Sie dem Hund nun nach dem Klick für die Wahl der „richtigen“ Türseite ein eigenes Spielzeug zum Zerpflücken an, haben Sie als Bonus sogar noch die Bedürfnisse des Hundes befriedigt. Und das alles durch positives Hundetraining. Kritisch sollten Sie sich fragen ob das Zerpflücken möglicherweise noch eine andere Ursache haben könnte wie z.B. starken Stress oder Aufregung und einen kompetenten Trainer zu Rate ziehen.
Neben dieser Taktik ist es wichtig je nach Trainingsstand Management zu betreiben. Das heißt, dem Hund wird es unmöglich gemacht unerwünschtes Verhalten zu zeigen. An unserem Beispiel ist die Kinderzimmertür außerhalb von Trainingssituationen zunächst erst einmal geschlossen oder mit einem Kindergitter gesichert. Mit zunehmendem Trainingsstand können nach und nach die Managementmaßnahmen abgebaut werden.
Fazit: Positives Hundetraining macht Spaß, ist fair und noch dazu sehr fehlertolerant. Ein fairer und berechenbarer Umgang mit unseren Hunden ist der Schlüssel zu einem langen und erfüllten Leben als Hund-Mensch-Team. Weil eine gute Partnerschaft eben aus mehr als nur einem glücklichen Partner besteht!