Longieren als sinnvolle Beschäftigung mit Hunden
Freizeit & Beschäftigung, Training & VerhaltenSPIEL UND SPASS AM KREIS
UND DAS “ABC” DER BELOHNUNGEN
- Neben vielen anderen Beschäftigungsmöglichkeiten mit Hunden erfreut sich das Longieren zunehmend großer Beliebtheit.
Wie beim Longieren mit Pferden steht die Hundeführer:in in der Mitte eines abgesteckten Kreises. Der Kreis kann durch ein Band begrenzt sein, durch Pylonen oder durch Bäume o. ä. definiert werden. Der Hund bewegt sich auf Signal des Menschen, umrundet den Kreis, stoppt und/oder wechselt die Richtung. Dabei ist es das Ziel, den Hund frei und ohne die Einschränkung einer Leine führen zu können.
Bis vor einigen Jahren war der Aufbau mit Leine üblich. Man definierte eine sogenannte Tabuzone, die der Hund nicht betreten sollte. Durch mehr Wissen über das Training mit Markersignal und positiver Verstärkung etablierte sich auch beim Longieren ein anderer Ansatz. Der Aufbau mit Bodentargets hat sich als stressfreier Aufbau bewährt. Ein Target ist ein Ziel, zu welchem der Hund selbständig hinläuft. Als Target eignet sich eine kleine Matte oder ein Stück Teppich. Der Hund lernt auf Zeichen des Menschen von einem Target zum nächsten zu laufen. Dann legt man acht Targets am abgesteckten Kreis aus, und der Hund wird ohne Leine von Target zu Target geführt.
Nach mehreren Wiederholungen werden die Bodentargets schrittweise abgebaut. Zwischen den Targets baut die Hundehalter:in nun verschiedene Aktionen ein. Man beginnt mit dem Stopp, später trainiert man Sitz, Platz und Steh. Jede ausgeführte Aktion wird markiert und belohnt.
Belohnungspunkte beeinflussen das Verhalten
Je nachdem, an welchem Punkt man belohnt, vermittelt man dem Hund wichtige Informationen über die Art des gewünschten Verhaltens, die Laufgeschwindigkeit und den genauen Weg. Das Berühren eines Targets z. B. belohnt man erst einmal auf dem Target, um den Fokus darauf zu richten. Je nach Hundepersönlichkeit muss mehr oder weniger deutlich kommuniziert werden, dass der Hund dort erst einmal bleiben sollte. Das erreicht man, indem man mehrere Futterbrocken hintereinander füttert (sogenannte Salvenfütterung) und die Pausen zwischen den Futtergaben dabei unterschiedlich lange hinauszögert. Nach dem Prinzip „fehlerfreies Lernen“ sollte das Auflöse-Signal (in unserem Fall die neue Richtungsangabe) gegeben werden, solange der Hund noch auf dem Target steht.
Sobald die Targets als Hilfsmittel abgebaut werden, verlängert sich die Laufstrecke, die der Hund selbständig und ohne Hilfe zurücklegen muss. An Pfosten oder Pylonen ist der Laufweg des Hundes außen, der des Menschen innen. Wir geben dem Hund Hilfestellung, indem wir dort das Futter so anbieten, dass sich der Hundekopf nach außen vom Menschen weg wendet.
Die Belohnung für das Platz lege ich zwischen die Vorderpfoten auf den Boden. Und das Steh wird leicht unterhalb der Maulspalte gefüttert. Hier ist wieder sehr wichtig, dass sich die Futterhand leicht von unten nähert, damit der Hund sich nicht setzt.
Um jeden Druck vom Hund zu nehmen, vermeidet man es, sich über oder gegen den Hund zu beugen. Gerade kleine Hunde benötigen einen gewissen Abstand zum aufrecht stehenden Menschen, um sich wohl zu fühlen.
Markiert wird die Aktion, belohnt die Position!
Durch den Ort der Belohnung kann ein Hund die Gelegenheit bekommen, sich selbständig zu korrigieren, was den Lernerfolg beschleunigt und stabilisiert.
Ein Hund bekommt beispielsweise zwischen 2 Targets das Signal für Sitz. Da die Targets so positiv aufgebaut werden, ziehen sie die Hunde zu Beginn regelrecht an. Am Anfang flitzen viele Hunde zum nächsten Target, ohne das Signal des Menschen zu beachten.
Er bekommt das Signal zwischen den Targets, d.h. der Mensch zeigt es dort und befindet sich, egal wie weit er in der Mitte agiert, gegenüber der gewünschten Stelle. Deswegen wird auch vor dem Menschen belohnt, am Anfang geht der Mensch zum Hund, später arbeiten wir z.B. mit Verstärkerketten (tertiärer Verstärker). So muss der Hund sich selbständig korrigieren, um sie zu erhalten. Es braucht meistens wenige Wiederholungen, bis er sich zuverlässig sofort auf Signal an die richtige Stelle setzt.
Auf diesem Trainingsniveau geben wir dem Hund zusätzlich die Information, dass die Art der Ausführung eine Konsequenz für die Belohnung hat. Sehr exakte Ausführung beantworten wir mit besonders hochwertiger Belohnung, zögerliches Reagieren hat die Konsequenz, dass die Belohnung weniger attraktiv ausfällt. Wir setzen Futter mit verschiedener Wertigkeit ein, oder ein Lobwort. Der Clicker bzw. das Markersignal wird nur bei vorzüglicher Ausführung des richtigen Verhaltens eingesetzt oder eben weggelassen, wenn die Qualität zu wünschen übrig lässt.
Bisher war nur von Futterbelohnung die Rede, weil diese Belohnung in der Regel am praktischsten ist. Futter ist leicht zu verwalten, es lässt sich punktgenau platzieren und ist so schnell geschluckt, dass an der gleichen Stelle weitergearbeitet werden kann.
Bewegt sich der Hund am Kreis ohne Targets als Hilfsmittel, dann gewinnen wir vielfältigere und individuellere Belohnungsmöglichkeiten. Wir können mit verschiedenen Aktionen belohnen, die Anforderungen erhöhen oder senken.
Was genau ist eine Belohnung?
Diese Frage müssen wir uns in jedem Training für jeden Hund neu stellen. Es lohnt sich, eine Liste der Lieblingsbelohnungen zu erstellen und diese auf ihre Einsatzmöglichkeiten zu prüfen.
Jeder Hund entwickelt am Kreis bestimmte Vorlieben, die wir als Belohnung einsetzen können, um erwünschtes Verhalten zu verstärken. Manche Hunde erarbeiten sich schnell eine große Arbeitsdistanz, andere benötigen die Nähe und die Hilfe des Menschen. Auch die jeweiligen Lieblingsgangarten lassen sich hervorragend als Belohnung einsetzen.
Hunde, die gerne in hohem Tempo und einer gewissen Distanz unterwegs sind, haben oft Mühe, die Signale des Partners in der Mitte wahrzunehmen. Für diese Hunde ist es sehr selbstbelohnend, den Kreis zu umrunden. Wollen wir uns als Longierpartner:in ins Spiel bringen, dann muss es uns gelingen, diese Vorliebe zu verwalten und gezielt als Verstärker für ruhigere Aktionen einzusetzen.
Schritttempo und Stopps nach wenigen Schritten erhöhen die Konzentration und können mit schnellem Kreisumrunden belohnt werden. Wir bekommen so die Möglichkeit, die Qualität der Ausführung zu beeinflussen. Reagiert der Hund zögerlich auf unsere Signale und sprintet unaufmerksam weiter, wird weder markiert noch belohnt. Wir ändern stattdessen die Richtung und stoppen ihn nach wenigen Schritten. Jede Verbesserung im Verhalten auf ein gegebenes Signal wird mit längeren Laufstrecken belohnt. Am Schluss darf der Hund nach Herzenslust den Kreis umrunden.
Langsame Hunde lassen sich beschleunigen, indem sie ein Ziel bekommen. Auch die Distanz kann man so sehr gut aufbauen.
Fast alle Hunde springen gerne. Sprünge am Kreis beschleunigen das Tempo. Wie Targets geben sie ein Ziel vor, was vor allem unsicheren Hunden hilft. Durch das Abheben beim Sprung fällt der Hund danach leichter in den Galopp.
Auch Suchspiele am Kreis ziehen magisch an. Gleichzeitig verbinden sie die Freude am Suchen mit Impulskontrolle. Der Hund darf ein unter Markierungstellern verstecktes Spielzeug oder Leckerli suchen, wenn er vorher brav sitzen geblieben ist. Oder wir erhöhen die Anforderung: Vor dem Suchen wird in die andere Richtung longiert. Fortgeschrittene longieren am Versteck vorbei und fügen verschiedene Aktionen vor dem Suchsignal ein.
Eine weitere Möglichkeit, langsame Hunde zu beschleunigen, ist die bewusste Platzierung von Click- und Belohnungspunkten. Erst markieren wir den ersten schnelleren Schritt mit dem Markersignal und bieten die Belohnung ca. 10 Schritte weiter an. Im nächsten Trainingsschritt wird der zweite schnelle Schritt markiert, die Belohnung erscheint nach 6 Schritten, dann wird der dritte schnelle Schritt markiert und die Belohnung kommt nach 4 Schritten usw. Für bessere Leistung erscheint also die Belohnung immer schneller.
Rollen oder werfen wir die Belohnung nach vorne, erhöht sich das Lauftempo des Hundes. Spielzeug oder Futterbeutel sind dafür sehr geeignet.
Fingerspitzengefühl ist nötig, damit wir unseren Trainingspartner nicht überfordern. Es sollte immer in kleinen Trainingsschritten und kurzen Sequenzen gearbeitet werden.
Distanzaufbau und Komfortzone
So wie jeder Hund seine Lieblingsgangart wählt, so hat auch jeder Hund seine eigene Komfortzone. Eine Komfortzone ist die Wohlfühldistanz zum Menschen, die das Tier gerne aufsucht. Um eine größere Arbeitsdistanz aufbauen zu können, müssen wir manche Hunde ermuntern, diese Zone freiwillig auszuweiten.
Verschiedene Möglichkeiten stehen uns da zur Verfügung, alle individuell auf die Persönlichkeit unseres Hundes zugeschnitten.
Mit Bodentargets läuft der Hund sein Ziel an, während sich der Hundehalter:in immer weiter in das Kreisinnere entfernt. Belohnt wird auf dem Target. Das Markersignal verhilft uns zu einer exakten Kommunikation und fungiert hier wirklich als Brückensignal, bis die Belohnung auf dem Target erscheint.
Ein Spielzeug oder Futterbeutel wird von einer Hilfsperson geworfen. Auch dabei entfernt sich der Hund freiwillig vor der Hundehalter:in und wird sofort dafür belohnt, indem er das Spielzeug suchen darf.
Die Bezugsperson schickt den Hund um eine Pylone. Markiert wird, wenn der Hund außen um die Pylone herum läuft. Der Mensch entfernt sich nach dem Marker mit der Belohnung rückwärts. Der Hund wird also einen Teil der Strecke gelockt. Auf diesem Wege wird die Distanzvergrößerung rückwärts aufgebaut, da kurzes Entfernen sofort mit längerer Annäherung belohnt wird.
Man bringt den Hund am Kreis ins Sitz, Steh oder Platz. Die Hundehalter:in entfernt sich schrittweise ins Kreisinnere. Markiert wird die größte erreichte Distanz zum Hund, belohnt wird der Hund in der Position. Dabei entfernt man sich mit wenig Energie, nach dem Marker kommt man schnell zum Hund zurück.
Was ist nun mit der Tabuzone?
Immer wieder findet man Longieranleitungen, in welchen darauf bestanden wird, dass eine sogenannte „Tabuzone“ einzuhalten sei. Der Hund soll „korrigiert“ werden, falls er den Kreis betritt. Das ist nicht nur sinnlos, ich persönlich lehne diese Form des Trainings ab. Jeder Hund kann lernen, eine Distanz zum Menschen herzustellen und diese zu halten, wenn es sich für ihn lohnt. Für manche Hunde ist es eine „Belohnung“, in großer Distanz zum Menschen zu agieren, andere benötigen mehr Nähe. Es ist die Aufgabe der Trainer:in, die jeweiligen Vorlieben als Verstärker für schwierigere Verhaltensweisen einzusetzen.
Beim Training über positive Verstärkung verzichten wir vollständig auf Korrekturen. Wir verstärken erwünschtes Verhalten, unerwünschtes verhindern wir durch einen geschickten Trainingsaufbau.
Sollte ein Hund immer wieder über das Band treten und die Nähe seines Menschen suchen, dann ist das Timing der Trainer:in gefragt. Click bzw. Markersignal gibt es, bevor der Hund über das Band tritt, und die Belohnung (Futterbrocken, Spielzeug oder Futterbeutel) fliegt über den Hund hinweg und landet außerhalb des Kreises. So ist keine Korrektur nötig. Der Hund wird von alleine gerne immer länger außen am Band laufen, weil er gelernt hat, dass die Belohnung außen erscheint.
Verhaltensketten verhindern oder bewusst nutzen
Es passiert manchmal, dass sich ein unerwünschtes Verhalten trotz aller Bemühungen etabliert hat. Ein Grund dafür kann sein, dass wir in der Vergangenheit beim Belohnen eine Verhaltenskette aufgebaut haben. Bellen zum Beispiel ist nicht nur im Longieren eine unerwünschte Begleiterscheinung, die sich hartnäckig hält, unter anderem, weil sie sehr selbstbelohnend ist und auch die Auslöser für uns Menschen nicht immer ersichtlich sind.
Am Kreis lassen sich Verhaltensweisen wie unter Laborbedingungen trainieren. Hund und Mensch konzentrieren sich in diesem Mikrokosmos aufeinander und auf das definierte Trainingsziel. Um eine schon etablierte Verhaltenskette zu ändern, gestalten wir das Training so, dass wir den Hund belohnen können, bevor er unerwünschtes Verhalten zeigt.
Mit Hilfe von Targets bekommen wir eine Chance, den Hund in winzig kleinen Schritten ruhig an den Kreis zu führen. Es ist sinnvoll, möglichst alle Auslöser für das Bellen zu entfernen. Das können andere Hunde sein, die evtl. zu nah sind. Oder auch Armbewegungen, unklare Körpersprache des Menschen oder seine Stimme.
Wir legen wieder 8 Targets an den Kreis. Nun ist das Trainingskriterium: „Schweigen“. Wir bestimmen eine Startposition, ab welcher schweigend gearbeitet wird. Solange der Hund ruhig ist und nicht bellt, gibt es Belohnungen. Das erste Trainingsziel ist, ihn von der Startposition schweigend zum ersten Target zu bekommen. Das Erreichen des Targets wird markiert und belohnt und er wird sofort zurück hinter die Startposition gebracht. Dort gibt es einen sehr guten Jackpot.
Im nächsten Trainingsschritt wird der Hund über zwei Targets geführt, dann über drei usw., bis der Hund den Kreis schweigend umrunden kann. Beim kleinsten „Wuff“ wird der Hund aus der Trainingssituation genommen. Ein konditioniertes Entspannungssignal oder isometrische Übungen können dem Hund helfen, sein Erregungsniveau zu senken, bevor wir die nächste Trainingseinheit beginnen.
Auch hier gibt es, je nach Hund, unterschiedliche Möglichkeiten zu belohnen: Futter, hart und groß und lange zu kauen. Oder Futter, klein und bröselig, gestreut und lange zu suchen. Vielen Hunden hilft eine Futtertube, an der sie schlecken können. Die Futtergabe sollte mit ruhigen Bewegungen erfolgen. Futtersuche am Boden entspannt, da ein gesenkter Kopf dem Hund hilft, die Muskulatur zu entspannen.
Kurze Trainingseinheiten sind hierbei besonders wichtig. Die Atemfrequenz des Hundes gibt uns Informationen über seinen momentanen Stresspegel. Ein achtsames Training und viel Geduld sind dabei erforderlich.
Verhaltensketten lassen sich aber auch als Belohnungsmöglichkeiten einsetzen, wie weiter oben schon beschrieben. Man beginnt mit einer Lieblingsübung, welche schon oft und gut belohnt wurde, und setzt in jeder Trainingseinheit eine Sequenz davor. Der Hund arbeitet so freudig und selbstbelohnend auf das Ziel hin. Da er das Ende der Übung kennt, arbeitet er entspannt und motiviert mit.
Belohnung ist Kommunikation
Wir sehen, dass Belohnungen sehr differenziert und bewusst eingesetzt werden können. Die Art der Belohnung und der Ort der Übergabe geben unserem Trainingspartner wichtige Informationen über das Trainingsziel. Es empfiehlt sich, ein Trainingstagebuch zu führen. So behält man den Überblick und das Training wird abwechslungsreich.
Wir sind jedoch nicht nur Sender von Information, wir empfangen auch Signale von unserem Hund und sollten adäquat und zügig darauf reagieren.
Ein gutes Beispiel ist hier der Blickkontakt als Startsignal. Es muss sich für das Gegenüber lohnen, den Blickkontakt anzubieten, sonst stellt es die Handlung ein. Gerade zu Beginn des Longiertrainings sollte kein Blickkontakt unbeantwortet bleiben. Sei es, dass wir markieren und füttern, oder dass unmittelbar nach dem Blickkontakt des Hundes eine Aktion startet.
Für den Menschen ist dieses Training sehr anspruchsvoll. Viel Körperkontrolle ist erforderlich. Die Füße z. B. sollten unbedingt bewegungslos bleiben, bis wir den Blickkontakt vom Hund erhalten haben und diesen als Startsignal durch Aktion verstärken. Zappeln wir vorher herum oder drehen sich unsere Füße schon vorher in Laufrichtung, dann wird diese Bewegung von uns zum Startsignal und der Hund wird seinen Blick auf die Füße richten, genauso wie Hunde an der Futtertasche kleben, wenn sie gewohnt sind, dass die Hand vor dem Marker zum Futter greift.
Vermutlich liegt in der wechselseitigen Kommunikation die Faszination des Longiersports. Beide Trainingspartner verstärken sich gegenseitig, sind mal Sender, mal Empfänger von Signalen. Es entsteht am Kreis eine fast meditative Ruhe und hohe Konzentration. So wird die Kreisarbeit für beide Trainingspartner:innen zu einem großen Belohnungssystem.
(Beitrag aktualisiert: Juni 2024)